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Ein Teilsieg für Attac
Vor zwei Jahren wäre es eine absolute Sensation gewesen: Die Staats und Regierungschefs der EU fordern den Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) auf, Konzepte zu entwickeln, wie die Finanzmärkte an den Kosten der von ihnen verursachten Krise beteiligt werden können, und auch das Konzept einer Finanztransaktionssteuer zu prüfen.
Elf Jahre nach der Gründung von Attac in Frankreich wird seine Gründungsforderung von der EU übernommen. Das ist für Attac und die ganze globalisierungskritische Bewegung ein großer Erfolg im langen Kampf. All die Jahre wurde die Forderung nach einer Tobin-Steuer von Regierenden im In- und Ausland verlacht, als utopisch und unrealisierbar zurückgewiesen. Die Finanzplätze der Länder, die eine solche Steuer einführen, würden in die Bedeutungslosigkeit versinken, hieß es, und die Geschäfte würden verlagert werden, dahin, wo sie unversteuert blieben. Da half auch nicht, dass Professor Paul Bernd Spahn im Auftrag der damaligen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Machbarkeit innerhalb einer Zeitzone nachwies.
Doch nun in der großen Finanznot, in die viele Staaten durch ihre milliardenschweren Bankenrettungspakete gekommen sind, plädierten zunächst der damalige Finanzminister Steinbrück, dann die Bundeskanzlerin, Präsident Sarkozy und sogar Gordon Brown für die Einführung einer Finanzmarktsteuer, die nicht nur Devisengeschäfte, sondern jegliche Transaktionen auf den Finanzmärkten erreichen soll. Die Idee stieß auf dem G 20-Gipfel auf offene Ohren, und nun fand sie Eingang in den Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs.
Freilich haben sie Angst vor der eigenen Courage. Sie beauftragen den IWF mit der Prüfung, statt die Finanztransaktionssteuer schlicht im Euro-Raum und in der Londoner City einzuführen. Dabei könnten sie im Gutachten des Ökonomen Dr. Stephan Schulmeister aus Wien nachlesen, dass das ohne Schaden für die europäischen Finanzplätze möglich wäre. Sie würden damit einen Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte leisten und sich die Kosten der Krise von den Verursachern zurückholen. Damit stünde auch genug Geld für die Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt zur Verfügung. Aber ein Hintertürchen bleibt offen. Frau Merkel: Nur wenn viele Staaten über die G 20 hinaus diese Steuer einführten, könne sie implementiert werden. Also doch nur Wortgeklingel, um die große Empörung über die Banken und Banker abzufangen?
Immerhin ist die Gründungsforderung von Attac nun in aller Munde. Die Petition eines breiten Kampagnenbündnisses (www.steuer-gegen-armut.org) von 48 namhaften Nichtregierungsorganisationen, kirchlichen Organisationen und Attac zur Einführung der Transaktionssteuer hat in Deutschland in nur drei Wochen über 50 000 Unterschriften bekommen. Damit steht eine öffentliche Anhörung im Bundestag dazu ins Haus. Bis zum Ende der Zeichnungsfrist am 25. Dezember sollen es noch viel mehr werden. Europaweit schließen sich NRO, die nationalen Attac-Organisationen und Netzwerke der Zivilgesellschaft zusammen, um Gegendruck zu erzeugen gegen die mächtige Lobby der Finanzindustrie, die mit allen Mitteln eine solche Steuer verhindern möchte. Dieses Fenster der Gelegenheit werden wir nicht ungenutzt lassen. Die Steuer muss kommen. Die Zocker auf den Finanzmärkten müssen zahlen.
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