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Unanständig
Deutschlands oberste Arbeitsrichterin Ingrid Schmidt bekundet ihr Verständnis für Firmenchefs, die Angestellte wegen kleinster Vergehen entlassen. Damit rechtfertigt die Juristin beispielsweise auch die Entlassung einer Altenpflegerin, weil diese ein paar von Patienten übrig gelassene Maultaschen essen wollte. Der 58-Jährigen wurde fristlos gekündigt. Richtig so, meint die Richterin und glaubt zu wissen, warum Angestellte immer wieder nach kleinen Snacks greifen, anstatt diese ordnungsgemäß in den Mülleimer zu werfen. Das Verhalten der Angestellten habe etwas mit fehlendem Anstand zu tun, meint Schmidt.
»Wie der Herr, so das Gescherr«, möchte man der Richterin entgegnen und auf den Brockhaus verweisen. Dort ist nachzulesen, dass sich der Anstand nach den in gesitteten, also gehobenen Schichten »vorherrschenden Verhaltensmaßregeln« richtet. Wenn die Vertreter dieser Schichten also Lohnzurückhaltung predigen und sich im gleichen Atemzug leistungsunabhängige Millionenbezüge genehmigen, kann doch niemand ernsthaft erwarten, dass Angestellte von Gewissensbissen geplagt werden, wenn sie sich mal eine Frikadelle vom Firmenbuffet nehmen.
Zumal der Prozess gegen die Bagatell-Täterin und vermeintliche »Pfandbon-Diebin« Emmely gezeigt hat, dass Firmenchefs das Arbeitsrecht missbrauchen, um unbequeme Angestellte loszuwerden. Und das ist – mit Verlaub – richtig unanständig.
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