Durchs Loch geschlüpft
Deutschland ist, was den Arbeitsmarkt angeht, eine Zweiklassen-Gesellschaft. Oben diejenigen, die eine feste Stelle haben, unten die Zeitarbeiter. Das hat die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) Deutschland bescheinigt. 300 000 Zeitarbeiter haben seit Mitte 2008 ihren Job verloren, stellte die Bundesregierung in ihrem jüngsten Bericht zu den Auswirkungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes fest. Die mit den unsichersten Jobs gehen als erste, wenn die Wirtschaft kriselt. So einfach ist das.
Und nun Schlecker: Entlässt die Stammbelegschaft, um sie dann über Zeitarbeit und unter Tarif wiedereinzustellen. »Schweinerei!« schreit die Republik. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ärgert sich letzten Sonntag bei Anne Will im Talkshowstudio, dass das gute Instrument Zeitarbeit durch derlei Praktiken »in den Dreck gezogen wird«. Sie will nun prüfen, ob Schlecker gegen geltende Gesetze zur Leiharbeit verstoßen hat und im Regelwerk gegebenenfalls »die Schlupflöcher schließen«.
Ja was denn nun? Wenn Schlecker Recht gebrochen hat, braucht man keine Schlupflöcher zu schließen. Und wenn es Schlupflöcher im Gesetz gibt, hat Schlecker dann nicht rechtens gehandelt? Von letzterem ist wohl auszugehen. Der OECD-Bericht legt das nahe, und das ist der eigentliche Skandal.
Was der Drogerie-Riese veranstaltet hat, nämlich im Rahmen geltenden Rechts Tarifflucht und Lohndumping zu betreiben, fliegt ihm jetzt um die Ohren. Das System Schlecker dürfte schwerlich zu übertreffen sein, wenngleich es kein Einzelfall im Einzelhandel ist. Das einzig Gute daran ist, dass durch den Skandal die Debatte um Zeitarbeit und Mindestlohn Fahrt aufgenommen hat.
Aber der Schaden für die 300 000 Erwerbslosen oder die nun bei Schlecker Zeitarbeitenden ist da. Beim nächsten Umsatzeinbruch sind sie wieder die ersten, die gehen müssen.
Das Problem sind nicht irgendwelche Schlupflöcher, das Problem ist die Zeitarbeit als eine moderne Form der Sklaverei. Die Parole sollte lauten »Zeitarbeit abschaffen!« Da das kaum realistisch ist, wäre schon mit der Gleichstellung mit Festangestellten eine Menge erreicht.
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