Zweitklassig

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 2 Min.

Wer in dieser Gesellschaft auf Sozialleistungen angewiesen ist, gilt der Boulevardpresse als faul und der schwarz-gelben Politik als arbeitsscheu. Auch die Kinder von Erwerbslosen sollen sich anscheinend gleich daran gewöhnen, dass man, einmal in den Hartz-IV-Mühlen gefangen, für den Staat einen geringeren »Wert« besitzt. Kurz vor Jahresbeginn hatten sich FDP und Union nämlich noch auf ein kleines sozialpolitisches Nachwahlgeschenk – eine Kindergelderhöhung um 20 Euro – geeinigt, mit der Begründung, dass man Familien und besonders Kinder unterstützen müsse. Nur gilt diese Begründung nicht für Kinder von Eltern, die ohnehin kaum genug zum Überleben haben. Sie erhalten das Geld freilich ebenfalls – wenigstens nach außen soll der Grundsatz der Gleichberechtigung gewahrt bleiben. Dass der komplette Betrag vom Hart IV- Regelsatz abgezogen und dieser somit faktisch dauerhaft um 20 Euro gekürzt wird, damit ging das schwarz-gelb Kabinett nicht hausieren.

Wegen einer nicht vorhandenen Übergangslösung soll es nun aber für hunderttausende Betroffene noch zynischer kommen: Sie hatten ihre Arbeitslosengeld-II-Bescheide bereits vor der Kindergelderhöhung bekommen, die also noch nicht abgezogen werden konnte. Diese Familien haben nun »versehentlich« 20 Euro pro Kind mehr in der Tasche. Aber zu früh gefreut: Das Geld möchte der Staat zurückhaben, koste es, was es wolle. Und es wird wohl teuer werden: Ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit bezeichnete den bürokratischen Aufwand für die Rückforderungen als »immens«. Doch für die Abgrenzung der Gleichen von den Gleicheren ist den Herrschenden vermutlich wie immer nichts zu teuer.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -