Patente machen Arme krank
Entwicklungsländer fordern gerechte Gesundheitsversorgung
Der Umgang mit der Schweinegrippe hat viele Fragen aufgeworfen. Ein gerechter Zugang zu Grippeimpfstoffen für alle Länder wurde vergangene Woche in Genf vom Exekutivausschuss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erörtert. Dem Gremium gehören 34 Staaten an. Strittig ist vor allem die Patentierung von Impfstoffen. Das Problem wurde erstmals 2007 breit bekannt, als das indonesische Gesundheitsministerium erklärte, dem Globalen Grippeüberwachungsnetz der WHO keine Vogelgrippeviren mehr zur Verfügung zu stellen, weil Interessen und Bedürfnisse der Entwicklungsländer nicht berücksichtigt würden.
Die Pharmakonzerne haben über die WHO kostenlos Zugang zu Virenproben, die daraus entwickelten Impfstoffe schützen sie aber mit Patenten. Dies erschwert für arme Länder den Zugang zu Impfstoffen. Viele Industrieländer bestellen zudem im Voraus Impfstoff, was die hergestellte Menge für Entwicklungsländer einschränkt, da die Produktionskapazitäten begrenzt sind. Indonesien berief sich darauf, dass Geberstaaten von Genmaterial aufgrund der UNO-Konvention zum Schutz der Artenvielfalt Anspruch auf eine gerechte Nutzenteilung haben. Entwicklungsländer und Nichtregierungsorganisationen wie die Erklärung von Bern (EvB) und das Third World Network fordern, dass dies bei Grippeviren durchgesetzt wird. Die medizinischen Bedürfnisse müssten für den Zugang zu Impfstoff ausschlaggebend sein, nicht der Geldbeutel, so Patrick Durisch von der EvB.
Die von Indonesien, Indien, Thailand und Brasilien angeführten Entwicklungsländer verlangen, dass die Pharmaunternehmen auf geistige Eigentumsrechte für Virenmaterial verzichten oder der WHO eine gebührenfreie Lizenz zugunsten der Entwicklungsländer abtreten. Zusätzlich soll ein angemessener Prozentsatz der Impfstoffe für Entwicklungsländer reserviert werden. Seit 2007 hat sich aber nicht viel verbessert: Mexiko, wo die Schweinegrippe im April 2009 erstmals auftrat, kritisierte auf der Konferenz, dass es keinen Nutzen davon hatte, der WHO Virusproben zur Verfügung gestellt zu haben. Mexiko habe nicht ausreichend Impfstoff erhalten, sagte der Vertreter des mittelamerikanischen Landes und hob die Bedeutung eines Abkommens über das gerechte Teilen von Medikamenten hervor. Indien sprach sich dafür aus, der WHO Virenproben zur Verfügung zu stellen, wenn gleichzeitig der Nutzen geteilt werde. Daher sollten Virenproben oder Teile davon nicht patentiert werden. Indien und Brasilien forderten einen Technologietransfer, damit Entwicklungsländer selbst Impfstoff herstellen könnten.
Die EU-Länder und Japan betonten dagegen, der Schutz geistigen Eigentums, spiele eine wichtige Rolle bei der Forschung. Sie setzten sich für ein freiwilliges Teilen von Medikamenten und Impfungen ein. Auch der internationale Verband der Pharmaindustrie wehrte sich gegen Verpflichtungen. Seine Mitglieder hätten über vier Milliarden Dollar investiert für neue Grippeimpfungen. Zudem hätten sie über 75 Prozent der Impfstoffe gespendet, die die WHO als Beschaffungsziel für Entwicklungsländer gesetzt hatte, und für arme Länder niedrige Preise verlangt. Dazu sagte Sangeeta Shashikant vom Third World Network im Namen von Churches’ Action for Health, einem Gremium des Weltkirchenrats, es sei ungerecht, das Impfstoff für Industrieländer produziert werde und Entwicklungsländer sich mit Spenden begnügen müssten. Der WHO-Exekutivausschuss will vom 10. bis 12. Mai tagen und der Weltgesundheitsversammlung dann Vorschläge für ein Abkommen vorlegen.
Das WHO-Sekretariat bekam auch zu anderen Fragen Druck aus verschiedenen Ländern. Indien wies darauf hin, dass laut Medienberichten offenbar einige WHO-Experten von Pharmafirmen bezahlt würden. Zudem habe es Berichte gegeben, dass bei der Erklärung der Schweinegrippe zur Pandemie voreilig gehandelt worden sei. »Wir möchten, dass diese beiden Aspekte geklärt werden«, forderte die Vertreterin Indiens. Großbritannien regte an, die Definition einer Pandemie zu überdenken. Margaret Chan, WHO-Generaldirektorin, sagte Letzteres zu.
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