Bis dass der Tod ...
Roman aus Mauritius
Dies ist die Geschichte einer Jungen-Freundschaft. Aber natürlich handelt Nathacha Appanahs Roman »Der letzte Bruder« nicht von irgendeiner Jungen-Freundschaft, sondern von einer ganz besonderen – und das aus vielfacher Sicht.
Zum einen schildert die 36-jährige, in Lyon lebende Autorin aus Mauritius die Schüchternheit der Begegnung zwischen dem neunjährigen Raj und dem gleichaltrigen David. Die beiden Jungen leben unter schwierigsten Umständen auf Mauritius – der eine in Armut, der andere in einem Lager für deportierte Juden. Ihnen war während des Zweiten Weltkriegs die Einreise nach Palästina verwehrt worden, womit sich eine weltpolitische Dimension dieser Kinderfreundschaft auf der Insel im Indischen Ozean eröffnet. Zum dritten handelt der Roman von traumatischem Erleben.
Raj hat als Kleinkind während eines Sturms seine beiden Brüder, David hat während der Schifffahrt die Eltern verloren. In seiner Freizeit streift Raj herum, folgt seinem Vater heimlich zu dessen Arbeit und kommt so zu dem Internierungslager, in dem David lebt. Nach einem Unwetter verhilft Raj David zur Flucht, aber das geht nicht gut aus ...
Appanah schrieb ihre Geschichte aus der rückblickenden Sicht von Raj als seniler Greis, der vor seinem eigenen Tod das vergessene Grab seines früheren Freundes David zu sehen wünscht. Vordergründig ist »Der letzte Bruder« eine Rückschau voller Melancholie und Selbstvorwürfe. Hintergründig berührt das Buch nicht nur persönliche Verletzung, sondern das Leid des jüdischen Volkes. Diesbezüglich ist der Roman, der bereits in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt wurde, ein geradezu brutales Buch, das tief berührt.
Appanahs erzählt verhalten, sacht, vermeintlich schlicht. Ein geradezu märchenhafter Schleier liegt über dem »Es war einmal …«-Pose. Karin Krieger brachte diesen sensiblen Text kongenial ins Deutsche.
Nathacha Appanah: Der letzte Bruder. Roman. Aus dem Französischen von Karin Krieger. Knaus. 192 S., geb., 17,95 €.
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