Spitzensport mit Schmalzstulle
Heute startet Berlins 99. Sechstagerennen
Genau um 19.55 Uhr soll Erik Zabel, heute Abend den Startschuss für das 99. Berliner Sechstagerennen geben. »Das ist eine Ehre für mich«, bekennt die Berliner Radsportlegende. »Immerhin gewann mein Vater Detlef als Jugendlicher das allererste Rennen 1950 in der Werner-Seelenbinder-Halle, die am selben Ort stand, wo sich heute das Velodrom befindet.« Erik Zabel selbst wurde als 19-Jähriger im letzten 1001-Runde-Rennen 1989 Zweiter auf der steilen Winterbahn. So verbinden sich 40 Jahre Winterbahn mit der Geschichte der Berliner Sechstagerennen, die schon 1909 begann.
Inzwischen ist die Berliner Veranstaltung zur uneingeschränkten Nummer eins der Sechstagesaison aufgestiegen. In diesem Jahr hoffen die Veranstalter auf mehr als 20 Prozent auswärtige Besucher. Denn die international besetzten Mannschaften locken auch internationales Publikum. Vor allem aus Norwegen, Italien und den Niederlanden kamen schon im Vorjahr rund 1400 Zuschauer.
»Im Velodrom wird das breiteste Angebot des Radsports geboten«, betont Heinz Seesing, Chef der Veranstaltung. Der Volksmund sagt es drastischer: »In Bremen kommen die Säufer, in München die Prominenz und in Berlin die Sportliebhaber.« In München ist allerdings wohl der letzte Starschuss gefallen, in Stuttgart und Dortmund sind die Lichter längst endgültig ausgegangen – eine breite Schneise, die die Finanzkrise nun auch in den Radsport schlägt.
Umso erfreulicher, dass im Velodrom wieder absolute Klasse am Start ist. Ob es die aktuellen Madison-Weltmeister Alex Rasmussen und Michael Mörköv aus Dänemark sind oder der Schweizer Franco Marvulli – diesmal allerdings ohne Bruno Risi, der in Bremen seinen Abschied feierte. Nun ist Landsmann Alexander Aeschbach der Partner. Indes wollen die zwei Brandenburger Robert Bartko und Roger Kluge den Heimvorteil nutzen, um am Ende ganz oben zu stehen. Für Bartko wäre es der dritte Sieg in Berlin nach 2004 und im vergangenen Jahr, als er mit Erik Zabel gewann.
Von solchen Erfolgen kann Tino Thömel vorerst nur träumen. Der 21-jährige Berliner ist einer der Nachwuchsfahrer im Rennen, die sich bei der Elite erst die nötige Härte erfahren müssen. Mit dem Dänen Marc Hester hat Thömel den Dritten der dänischen Madison-Meisterschaft 2009 an seiner Seite. Von ihm kann er sich gewiss manchen Trick abschauen.
Die Förderung des Nachwuchses nimmt man in Berlin ernst. »Um unsere Zukunft zu sichern, müssen wir doch die jungen Talente aufbauen«, sagt der sportliche Leiter Dieter Stein, einst als »Schwarze Sieben« eine Winterbahngröße.
Im Velodrom haben natürlich wie bei allen Rennen unterm Dach auch Show und Unterhaltung ihren Platz, aber auch diesmal wird der Sport im Mittelpunkt stehen. Die einstige Winterbahn, deren Saison nicht sechs Tage, sondern sechs Wochen dauerte, formte ein besonderes Publikum. Da wird jedes Ergebnis notiert oder über optimale Fahrlinien diskutiert. Dem echten Fan reichen ein paar Schmalzstullen zum Bier. Krabbensalat und Schampus überlässt er gern den VIPs auf den Logenplätzen.
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