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Traditionalist
Heinz Seesing / Der 72-Jährige organisiert das Berliner Sechstagerennen
Der Münsterländer Heinz Seesing wollte eigentlich Priester werden, was man dem 72-Jährigen sofort abnimmt. Groß, ruhig, ausgeglichen. Er wirkt, als wüsste er immer genau, wovon er spricht. Statt von der Kanzel zu predigen, dreht der gelernte Kaufmann aber am Rundenkarussell: Seine Vorbereitungen für das 99. Berliner Sechstagerennen sind mit dem heutigen Startschuss abgeschlossen. In Deutschland sind von einst zwölf solcher Bahnradwettkämpfe nur noch drei in München, Bremen und Berlin übrig geblieben. München hat für 2011 schon abgesagt. Daran ist in Berlin nicht zu denken, dank Heinz Seesing.
Etwas seelsorgerisch fängt er die Stimmung der Fans auf: »Der Radsport ist Kulturgut in Deutschland. Fast jeder fährt hier Rad. Leider subventionieren die Politiker nur jeden Opernsessel mit Hunderten von Euro. Davon profitieren in erster Linie die Besserverdienenden. Um die normalen Menschen kümmert sich niemand.« Jenem Normalbürger will Seesing etwas bieten. Nach drei Dekaden als Chef des Bremer Sechstagerennens bringt er nun schon 14 Jahre lang den Fahrerpulk im Berliner Velodrom in Schwung. »Seit über 100 Jahren gibt es das Berliner Sechstagerennen. Immer kommen über 70 000 Zuschauer. So etwas kann man doch nicht einfach aufgeben«, erregt sich Seesing.
Der Manager ist Traditionspfleger durch und durch. In seiner Heimatstadt Coesfeld ließ er eine über 800 Jahre alte zerfallene Bischofsmühle restaurieren. »Heute ist sie ein Schmuckstück und Lehrobjekt. 40 Schulklassen lernen dort jedes Jahr, dass unser tägliches Brot nur durch harte Arbeit auf dem Tisch landet«, erzählt er.
Solch harte Arbeit brauchte Seesing für die Rettung des Rennens. »Die Krise traf uns wie Peitschenhiebe«, erinnert er sich an abspringende Sponsoren. »Ich verneige mich vor den Mitarbeitern. Sie machen alle Abstriche, obwohl die Arbeit nicht weniger wird.« So ist auch 2010 wieder ein exzellentes Fahrerfeld am Start.
Genau wie 1996, als Seesing das erste Rennen im neuen Velodrom organisierte. »Bei der Begeisterung spürte ich, dass der Radsport im Osten eine Heimat hat. So lange ich kann, lasse ich das nicht untergehen.« So bastelt Seesing schon am 100. Jubiläum 2011 – Krise hin oder her.
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