Medaillenregen im Eiskanal?
Deutsche Rodel-Frauen fast unschlagbar / Italiener Armin Zöggeler vor dem Gold-Triple / Im Skeleton will die Konkurrenz Nordamerikas Dominanz brechen
Es ist blanker Wahnsinn und hat im Vorfeld der olympischen Rodelrennen auf der Bahn im Whistler Sliding Centre auch für viel Wirbel gesorgt. Über 150 km/h wurden als Spitzentempo in dem 2007 fertiggestellten Eiskanal gefahren. Mit exakt 153,98 km/h hatte beim Weltcup-Finale im letzten Winter der zweifache Weltmeister Felix Loch (Berchtesgaden) einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt.
Diese enorme Tempohatz bewog inzwischen den Rodel-Weltverband FIL zu Überlegungen, künftig dem Geschwindigkeitsrausch Einhalt zu gebieten und im Reglement ein strenges Tempolimit einzuführen. »Wir müssen dieser riskanten Entwicklung einen Riegel vorschieben und den Bahnenbauern Grenzen setzen«, äußerte FIL-Präsident Josef Fendt aus Berchtesgaden gegenüber ND. »Für Vancouver müssen wir mit dieser Entwicklung, die in die falsche Richtung geht, aber leben.«
Vor allem die deutschen Rodel-asse hoffen auf der enorm schnellen und technisch anspruchsvollen Bahn auf einen Medaillenregen. »Wir möchten in jedem der drei Entscheidungen eine Medaille, bei den Frauen dürfen es auch zwei sein«, meinte Thomas Schwab, einst Cheftrainer und nunmehr Generalsekretär des Bob- und Schlittenverbandes.
Immerhin: Seit Aufnahme des Kufensports 1964 ins Olympiaprogramm gewannen die deutschen Rodelasse 25 der 36 Goldmedaillen. Dabei setzten die deutschen Frauen dieser Erfolgsbilanz noch die Krone auf. Bei den Winterspielen 1998 (Doppelerfolg), 2002 und 2006 (jeweils Dreifach-Triumph) fuhren sie zu acht von neun möglichen Medaillen. Der letzte Olympiasieg an eine nicht-deutsche Fahrerin war 1994 an die Italienerin Gerda Weissensteiner gegangen.
Doch die seit 95 Weltcuprennen ungeschlagenen deutschen Rodlerinnen – angeführt von der zweifachen Weltmeisterin Tatjana Hüfner (Oberwiesenthal), Vizeweltmeisterin Natalie Geisenberger (Miesbach) und Anke Wischnewski (Oberwiesenthal), der Olympiadebütantin mit 32 Jahren – sollten gewarnt sein. Im letzten Winter schnappte ihnen nämlich die 23-jährige US-Amerikanerin Erin Hamlin den WM-Titel weg.
Haushoher Favorit bei den Männern ist der 36-jährige Italiener Armin Zöggeler. Der Südtiroler Ausnahmeathlet ist vor einer Woche zu seinem 45. Weltcupsieg gekommen und zum neunten Mal Weltcup-Gesamtsieger geworden. Nach seinen Olympiasiegen von 2002 und 2006 will er nun das Gold-Triple. Zu seinen härtesten Widersachern dürften neben den deutschen Piloten auch der Olympiazweite von 2006, Albert Demtschenko (Russland), gehören, der seinen sechsten Olympiastart endlich mit Gold krönen will.
Im Skeleton dominierte in der Vergangenheit meist Nordamerika – allen voran die USA (3/3/0 Olympiamedaillen) und Kanada (1/1/1). Doch inzwischen hat die technisch stärker gewordene Konkurrenz viel an Rückstand wettgemacht. »Auch wir wollen im Kampf um die Medaillen eingreifen«, sagt Vizeeuropameister Frank Rommel (Zella-Mehlis). Bundestrainer Jens Müller weiß, wie man in Kanada Olympiasieger wird. Er war 1988 in Calgary zu Gold gefahren – damals im Rennrodel-Einsitzer.
Rodeln und Skeleton
Geschichte: Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Rodeln als eigenständige Wintersportart populär. Beim modernen Sportrodel sind die Kufen in der Längsrichtung leicht gewölbt, so dass durch Verlagerung des Körpergewichtes und durch Schenkeldruck des Fahrers der Rodel gelenkt wird. Das heutige Rennrodeln entwickelte sich aus dem Skeleton. Beim Skeleton starten die Fahrer – anders als beim Rodeln – im Stehen, springen nach kurzem Anlauf auf den Schlitten und fahren bäuchlings und mit dem Kopf voraus talwärts.
Olympia: Rodel-Premiere sollte eigentlich 1960 in Squaw Valley (USA) sein, was daran scheiterte, dass der Ausrichter keine Bahn zu bauen bereit war. Somit wurde das Rennrodeln erst 1964 in Innsbruck olympisch mit den noch heute üblichen drei Wettbewerben. Mit 25 Gold-, 21 Silber- und 19 Bronzemedaillen haben die Rodler die beste deutsche Olympiabilanz unter den Wintersportarten aufzuweisen. Erfolgreichster deutscher Fahrer ist der Berchtesgadener Georg Hackl mit dreimal Gold (1992, 1994, 1988) und zweimal Silber (1988, 2002). Skeleton war schon 1928 und 1948 jeweils in St. Moritz olympisch. Nach 54 Jahren erfolgte die olympische Wiederaufnahme 2002 in Salt Lake City. Die deutschen Skeletonis gingen bislang bei Olympia leer aus.
Entscheidungen: Im Rodeln drei (Einsitzer Männer und Frauen, Doppelsitzer Männer); im Skeleton zwei (je eine der Männer und Frauen).
Sportstätte: Für beide Sportarten die Olympiabahn im Whistler Sliding Centre (1395 m lang mit 16 Kurven).
Favoriten: Im Rodeln der Frauen neben den deutschen Starterinnen Erin Hamlin (USA) und Nina Reithmayer (Österreich); bei den Männern Armin Zöggeler (Italien), Albert Demtschenko (Russland), Felix Loch (Berchtesgaden), David Möller (Sonneberg), die deutschen Duos Florschütz/Wustlich, Leitner/Resch sowie Oberstolz/Gruber (Italien) und Lingner/Lingner (Österreich); im Skeleton bei den Männern Martins und Tomas Dukurs (beide Lettland), Alexander Tretjakow (Russland) und Sandro Stielicke (Winterberg); bei den Frauen Mellisa Hollingsworth (Kanada), Shelley Rudman (Großbritannien) und Marion Trott (Oberhof). joh
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