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Skeptischer Blick
Berlin, Brandenburger Tor 1990: Im Sturm der Geschichte zwei Fahnen und abseits, im Dunkeln, ein Mann, der das Bild durch das Auge seiner Kamera sieht als zufällige Konstellation, die etwas bezeichnet. Nach diesem »Etwas« sucht man in Bildern großer Fotokünstler immer – und Harald Hauswald ist ein großer, auch wenn er sich selbst vielleicht lange nicht so sah.
Telegrammbote war er , Heizer, Restaurator, Fotolaborant, ehe er, zuletzt noch, als Fotograf in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen wurde. Jetzt, ja jetzt, gibt es von ihm Fotobände und Ausstellungen noch und noch. Und aus manchen seiner Bilder wurden Ikonen. Zum Beispiel aus dem von den Fahnenträgern 1987 auf dem Berliner Alexanderplatz, die in peitschenden Regen gerieten, oder aus dem vom Sturmlauf auf das Brandenburger Tor am 22. Dezember 1989. Auch den Trabant mit dem Storchennest aus diesem Buch kannte man schon.
Liest man in die Bilder im nachhinein etwas hinein? Aber warum hätte Hauswald 1984 in Dresden den Mann vor dem Karussell »Südseetraum« fotografieren sollen, wenn nicht im Gedanken, wie fern die Südsee dem DDR-Bürger doch war? Immer ist in seinen Bildern ein Widerspruch, ein Dissens. »Ruinen der sozialistischen Ideale« sieht Jutta Voigt in Hauswalds Fotos, »subversive Poesie« in »sozialistischen Unterwelten«. Aber das ist immer noch in den Koordinaten von damals gedacht, in den Mustern des »Dafür« oder »Dagegen«, die zunehmend verblassen und irgendwann nicht mehr nachvollziehbar sind. Übrig bleibt der skeptische Blick auf eine Realität, die man lediglich abbilden, kaum beeinflussen kann. Auch das Mitgefühl für die anderen, die in gleicher Lage und dabei voller Glückshoffnungen sind. Denn sie haben doch nur ihr Leben.
Harald Hauswald/ Jutta Voigt: Auferatanden aus Ruinen. Deutschland Ost: Fotos aus vier Jahrzehnten. Jaron Verlag. 120 S., brosch., 16 €.
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