Mitläufer

Wettbewerb III: »The Ghost Writer«

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Ghostwriter sind keine greifbaren Gestalten. Sie arbeiten im Dunklen, sind anonyme Schreiber ohne eigene Meinung, die ihren Auftraggebern zu Diensten sein müssen. Eigentlich existieren sie nicht. So bleibt auch der Ghostwriter (Ewan McGregor) in Roman Polanskis gleichnamigem Thriller namenlos. Sein lukrativer neuer Job: Er soll die Memoiren des britischen Premierministers a. D., Adam Lang (Pierce Brosnan), schreiben. Der alte Ghostwriter war in alkoholisiertem Zustand im Atlantik ertrunken. Was dem „Neuen“ zunächst als anspruchsvolle, aber machbare Aufgabe erscheint, erweist sich bald als eine heikle Affäre.

Denn der einst gefeierte Politiker wird vom Internationalen Gerichtshof von Den Haag angeklagt, während des Irak-Kriegs Landsleute an die CIA ausgeliefert zu haben. Da ihm in Großbritannien die Verhaftung droht, richtet er sich in seinem luxuriösen Anwesen auf der US-amerikanischen Atlantik-Insel Martha’s Vineyard ein, in das auch der Ghostwriter berufen wird. Von der angespannten Atmosphäre im Haus angesteckt, zu der noch ein Zickenkrieg zwischen Ehefrau und Geliebter beiträgt, tritt der neue Schreiber in die Fußstapfen seines Vorgängers. Der war weiteren brisanten Machenschaften des charismatischen Ex-Politikers auf die Schliche gekommen, was seinen Tod plötzlich suspekt macht ...

Es ist eine böse Ironie des Schicksals, dass Polanski mit seinem Film quasi ein Statement zu seiner jetzigen persönlichen Situation abgeliefert hat. Die Parallelen zwischen dem Filmpremier zu dem derzeit in Hausarrest befindlichen Regisseur, gegen den ein Haftbefehl aus den USA vorliegt, sind offensichtlich.

Doch Klaustrophobie ist von jeher ein Lieblingsthema Polanskis: Sie verleitete seine Figuren in »Ekel« oder »Der Mieter« bereits zu manch blutiger Tat. Auch hier kreiert Polanski ein Klima von Paranoia, das sich im Film allmählich steigert und die politische Komponente in den Hintergrund drängt. Zwar spielt Drehbuchautor Robert Harris, auf dessen Roman der Film beruht, mit der Figur des Filmpremiers durchaus auf Tony Blair an. Auch Adam Lang versteht sich als eiserner Kämpfer »gegen den Terror«, der sogar sein Haus in einen Sicherheitstrakt verwandelt.

Doch der Film gehört eindeutig dem Schreiberling (von Ewan McGregor eindringlich porträtiert). Dessen vertraglich besiegelter Loyalität zum Auftraggeber kommt plötzlich sein erwachender investigativer Elan in die Quere. Wann wird man zum Mitläufer, wann zum Verräter?

So entwickelt der bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzte Film gerade im letzten Drittel eine beträchtliche Spannung. Polanski bebildert sie mit unheildräuender Natur auf der Atlantik-Insel sowie Finsternis und unterlegt sie mit einer packenden Filmmusik. Die überraschende Wendung am Ende bildet nur den konsequenten Höhepunkt dieses soliden Thrillers.

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