Pestizide und Artenschwund
Studie: Landwirte müssen Spritzmittel auf Minimum begrenzen
Wie wichtig die Landwirtschaft für die Tier- und Pflanzenwelt ist, veranschaulichen einige Zahlen: Felder stellen fast die Hälfte der EU-Fläche. Sie bieten den Lebensraum für 50 Prozent der europäischen Vogelspezies und 20 bis 30 Prozent der deutschen Pflanzenarten. Wie sich der immer intensivere Landbau auf Pflanzen, Käfer und bodenbrütende Vögel auswirkt, untersuchten Agrarwissenschaftler auf über 1300 Weizenfeldern in acht europäischen Ländern. Resultat: Steigt die Getreideproduktion auf einem Feld um das Doppelte, halbiert sich die Zahl der Pflanzenarten. Die Laufkäfer- und Vogelvielfalt sinkt um ein Drittel.
Den Artenschwund erklären die Forscher in der Zeitschrift »Basic and Applied Ecology« einerseits mit der veränderten Landschaftsstruktur: »Vor allem durch den stark angestiegenen Anbau von Energiepflanzen sind Brachflächen in den letzten Jahren weitgehend verschwunden«, beklagt der Agrarökologe Teja Tscharntke von der Universität Göttingen. Hauptursache ist aber der steigende Einsatz von Spritzmitteln wie Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden.
Diese Agrochemikalien ermöglichen eine einfache und billige Bearbeitung von Feldern, sind aber nicht nur mit Blick auf die Sicherheit der Lebensmittel umstritten. In Experimenten wiesen die Forscher nach, dass der steigende Einsatz von Chemikalien Getreideschädlinge durchaus begünstigen kann. Je mehr Insektizide versprüht wurden, desto weniger Blattläuse wurden anschließend gefressen. Der Grund: Die Chemikalien dezimieren auch die natürlichen Fressfeinde der Läuse wie etwa die räuberischen Laufkäfer.
Der biologische Landbau auf einzelnen Feldern kann den Verlust der Arten kaum stoppen. Er bewahrt zwar dort den Pflanzen- und Käferreichtum. Aber Vögel bewohnen – ebenso wie Säugetiere, Schmetterlinge und Bienen – größere Areale. Ihr Nahrungsangebot leidet auch dann, wenn auf entfernteren Feldern Chemikalien versprüht werden.
Die Artenvielfalt in Europa könne nur dann erhalten werden, wenn die Landwirte den Einsatz von Spritzmitteln auf ein Minimum beschränken, betonen die Forscher. Dies sei keineswegs utopisch, betont Tscharntke. Da derzeit etwa die Hälfte des Einkommens der EU-Landwirte auf Subventionen basiere, könne man deren Verhalten über finanzielle Anreize steuern. »Der ökologische Landbau zeigt, dass es Alternativen gibt«, sagt der Agrarökologe. »Es ist alles eine Frage des politischen Willens.«
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