Guter Rat von einem Experten
Franzose Jason Lamy Chappuis gewinnt spannendes Rennen der Kombinierer
Johnny Spillane hätte mit Peter Schlickenrieder reden sollen, denn der ist schließlich Experte. »Lücken nach Anstiegen werden auf dieser Strecke in den Abfahrten immer wieder zugelaufen«, hatte Schlickenrieder, Olympiazweiter von 2002 im Langlauf, vor dem 10-km-Rennen der Nordischen Kombinierer gesagt – allerdings nur dem ND-Reporter, nicht Johnny Spillane.
Der US-Amerikaner hatte am letzten Anstieg angegriffen, die Führungsgruppe gesprengt und einen Vorsprung von 30 Metern herausgelaufen. »Wenn er jetzt nicht stürzt, holt Johnny Gold«, rief der Stadionsprecher zur Freude der vielen US-Fans im Stadion, doch der Abstand sollte nicht reichen. Am Ende jubelte der Franzose Jason Lamy Chappuis. Der Weltcupführende lief die Lücke mit dem Schwung aus der letzten Abfahrt wieder zu und überspurtete den Weltmeister von 2003 auf den letzten Metern, genau wie es der deutsche Experte Schlickenrieder prophezeit hatte.
»Als der Franzose an mir vorbeiflog, wusste ich, dass ich verloren habe. Da hatte ich nichts mehr entgegen zu setzen«, sagte Spillane im Ziel. »Ich musste noch hart kämpfen gegen die vielen anderen, um wenigstens Silber zu holen. Damit bin ich auch voll zufrieden, aber es war auch hart zu sehen, wie das Gold davon läuft.«
Dabei hatte Jason Lamy Chappuis den Titel schon abgeschrieben. »Als Johnny so weit weg war, dachte ich nicht mehr, ihn noch einfangen zu können«, so der neue Olympiasieger. »Aber meine Ski liefen etwas besser als seine. Da haben die letzten 100 Meter viel Spaß gemacht.« Feiern wollte der in den USA geborene Lamy Chappuis am Abend mit seiner Großmutter. Sie war extra angereist, nachdem sich beide über zwei Jahre lang nicht mehr gesehen hatten.
Die deutschen Kombinierer hatten mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun. Alle vier hatten nach einem wegen drehender Winde komplizierten Springen von der Normalschanze schon über eine Minute Rückstand auf die Spitze. Der Johanngeorgenstädter Björn Kircheisen kam zwar zur Halbzeit des Rennens noch einmal bis auf zehn Sekunden an die Führenden heran, brach dann aber völlig ein. Am Ende war der erst 21-jährige Eric Frenzel (Oberwiesenthal) auf Platz zehn bester Deutscher.
»Das Ding war schon nach dem Springen fast verloren. Wir hatten mit unseren Leuten kein Glück«, sagte Sprungtrainer Andreas Bauer. »Da arbeitest du vier Jahre auf Olympia hin, und dann entscheidet der Wind. Das ist schon bitter«, meinte ein frustrierter Björn Kircheisen, der nur auf Platz 22 ins Ziel lief.
Bundestrainer Hermann Weinbuch schickte nach der Auftaktpleite ohne die erhoffte Medaille die deutschen Kombinierer in einen kurzen Olympiaurlaub. »Wir gehen zwei, drei Tage nach Vancouver runter, damit die Jungs dort abschalten, entspannen und sich geistig wieder erholen. Danach wollen wir neu angreifen. Wir sind jetzt auch als Psychologen gefragt«, meinte Weinbuch.
Die Athleten des Deutschen Skiverbands werden im Teamwettbewerb in einer Woche versuchen, es von der Großschanze besser zu machen. Und wenn ihnen das gelingt, sollten sie vor dem Laufen noch mal mit Peter Schlickenrieder sprechen. Der hat vielleicht noch einen guten Tipp parat.
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