Kleiner Stich im Herzen

PIERCE BROSNAN: Polanski, Babelsberg

  • Lesedauer: 4 Min.
Der Ire Pierce Brosnan wurde in der Rolle des James Bond für Millionen Zuschauer ein Begriff. Seinen Ruhm nutzte er, um mit seiner eigenen Produktionsfirma kleine, engagierte Filme für sich und Kollegen zu entwickeln. Im Frühjahr stand er für Roman Polanskis »The Ghost Writer« vor der Kamera, der auf dem Bestseller »The Ghost« von Richard Harris beruht. Brosnan spielt Adam Lang, Ex-Premierminister von Großbritannien, der von den Schatten seiner Vergangenheit eingeholt wird.  

ND: Hätten Sie sich je vorstellen können, in die Politik zu gehen?
Brosnan: Auf keinen Fall. Das bedeutet keinen Verzicht auf gesellschaftliches Engagement. Ich bin mir bewusst, dass ich durch Bond in einer Position bin, in der die Leute mir vielleicht zuhören – meine Stimme leihe ich daher am liebsten Menschen, die die Zerstörung der Umwelt aufhalten wollen. Mit ihnen will ich mich verbünden. Und im Übrigen: Die Schauspielerei ist besser bezahlt als die Politik. Bislang jedenfalls.

Also bleibt es beim Film-Auftritt als Alter Ego von Tony Blair?
Roman (Polanski, d. Red.) hat mir versichert, Adam Lang sei nicht Blair, wie alle Rezensenten nach Erscheinen des Romans spekuliert hatten. Trotzdem habe ich zunächst unbewusst auf Blairs Auftritte als Premierminister geachtet. Ich wollte ihn mit den Augen eines Schauspielers betrachten, der einen Premierminister spielt, der sich ständig wie ein Schauspieler benimmt. Und Roman hat mich auch dazu angehalten.

Ausgangspunkt der Handlung ist das Verfassen einer Politikerbiografie. Sind von Ihnen Memoiren zu erwarten?
Ich habe angefangen, kleine Notizen zu verschiedenen Kapiteln meines Lebens zu sammeln. Vielleicht, damit meine Kinder ihren Vater besser verstehen. Und weil ich mir etwas Klarheit über mich verschaffen will.

War der Bond eine Gefährdung für Sie?
Ich wusste, dass mir diese Rolle Ruhm und Aufmerksamkeit bringen wird, beide sind dann aber doch wie ein Holzhammer über mich hereingebrochen. Es wäre sträflich, eine solche, wie auch immer geartete Macht geschenkt zu bekommen und sie dann nicht ein bisschen zu nutzen, um für seine Ideale vom Beruf und von der Welt einzustehen. Ich habe diesen Beruf gewählt, weil ich vom Theater geträumt habe und Filme liebte. Mein erstes Engagement an einem kleinen Theater hat mich geprägt. Eine neue Welt hat sich mir eröffnet, Tschechow und die großen Dramatiker, wie Sartre. Oder Picasso, wodurch ich auch meine Leidenschaft für die Malerei entdeckte.

Würden Sie sich eigentlich in dem Haus, in dem »Ihr« Politiker im aktuellen Film wohnt, wohlfühlen?
Nicht eine Minute. Es wirkt so kalt, so ohne Musik, persönliche Dinge und Kunstwerke.

Wie steht es um Ihre Passion, selbst Filmprojekte zu betreiben?
Sie ist nicht erloschen. Wir haben gerade einen kleinen Film abgeschlossen, der während des Festivals von Sundance verkauft wurde. Ich will eine neue Version von Thomas Crown (»Thomas Crown ist nicht zu fassen«, d. Red.) drehen. Wir haben jetzt ein Buch, dessen Struktur vom Studio akzeptiert wurde, müssen aber weiter an den Charakteren und der Geschichte feilen. Parallel dazu versuchen wir, das Geld aufzutreiben – was nicht einfach ist.

Es gab mal das Gerücht, Sie kämen mit dem Filmprojekt nach Babelsberg?
Ich würde gerne, aber es ist nicht entschieden, wo es hingeht. Das Studio Babelsberg ist ein toller Platz zum Arbeiten, mit einem Umfeld, in dem man sich als Schauspieler und Künstler ernstgenommen fühlt, das erzählen alle.

Die Premiere dieses vom Studio Babelsberg koproduzierten Films »The Ghost Writer« wurde überschattet von der Verhaftung Roman Polanskis wegen Vergewaltigung.
Ich fühlte einen kleinen Stich in meinem Herzen, der von der Angst ausgelöst wurde, dass der Film nicht beendet werden könnte. In den doch alle so viel Leidenschaft investiert haben. Ich habe dann schnell erfahren, dass der Film zu dem Zeitpunkt von Romans Verhaftung schon fast beendet und dass es Roman erlaubt worden war, vom Gefängnis aus die letzten Schritte der Fertigung zu überwachen. Ich hatte den Eindruck, dass alles in den richtigen Bahnen läuft. Und doch bleibt ein seltsames Gefühl. Nach der tollen Premiere blieb eine Lücke auf der Bühne, und beim Dinner stand ein freier Stuhl am Tisch. Der für Roman Polanski reserviert war.

Haben Sie Kontakt?
Meine Kollegen Ewan McGregor, Olivia Williams und ich haben ihn nach der Premiere angerufen. Ich bekam den Eindruck, dass er sich seinen Optimismus und Sinn für Humor bewahrt. Die Schicksalsschläge, die er in seinem Leben erlitt, hat er in positive Energie umgewandelt, um Bilder zu finden, die sich ins Gedächtnis einbrennen – und Meisterwerke zu schaffen, die etwas über die Menschheit sagen und die herausragen aus diesem Meer bedeutungsloser Werke.

Interview: Katharina Dockhorn

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.