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In Sempers Geist
Wolfgang Hänsch, Dresdens Achitekt
Zu dem furchtbaren Schicksal, das die Stadt erfahren hat, bedeutet es einen weiteren Schlag, dass die architektonisch verfehlten Bauten erhalten geblieben sind: Die Kunstakademie mit der Zitronenpresse, die Zigarettenfabrik Yenidze, das unglückliche Schauspielhaus, das das Kronentor erschlägt und alles überragend der schändliche Rathausturm, der die Stadtsilhouette zerschlug.« Dies schreibt der Kunsthistoriker Fritz Löffler 1950 in einem nicht abgesandten Brief an den Dresdner Oberbürgermeister Weidauer. Während der aufreibenden Kämpfe um die Sicherung der stadtbildprägenden Ruinen drohte das hybride Formengemisch zum Leitbau für die Zukunft zu werden.
Der erste Aufbauschub in dem im Februar 1945 in Trümmer gesunkenen Dresden war den »nationalen Traditionen« verpflichtet. Das bedeutete, in Fortführung der 30er Jahre handwerkliche Bauweise mit monumental klassizistischer Gebärde zu verknüpfen, gemildert durch äußerliche Anklänge an lokale Eigenheiten. Das konnte jedoch weder in technologischer noch in ästhetischer Hinsicht eine Lösung sein. Die DDR-Kulturhauptstadt Dresden sollte zur Abrundung des Zentrums einen »Höhepunkt im Stadtkern« erhalten. Walter Ulbricht wollte sich jedoch nur widerwillig von dem Ideal der tortenartigen Hochhaus-Zikkurate Moskauer Art lösen. Es waren dann aber gerade russische Gutachter, die schließlich den Flachbau von Leopold Wiel empfahlen. Von 1962 bis 1969 wurde die Idee des dreigeschossige Mehrzweckgebäudes von einer Sonderprojektierungsgruppe unter Leitung von Wolfgang Hänsch ausgeführt. Seit Herbst 2008 steht auch der Kulturpalast unter Denkmalschutz.
Die anderen Werke Hänschs stehen diesem nicht nach. Bevor die Industriealisierung mit ihren Kranstraßen den Wohnungsbau auf eine Notdurft reduzierte, wurde auf der Borsbergstraße in Dresden eine eigenständige Ästhetik angestrebt. Ziegelbauten wurden in Großblockbauweise umgeplant. In einer Bruch- und Mahlanlage wurde der Schutt der Ruinen zerkleinert und als Betonzuschlag verwendet. Erstmals kamen geschosshohe Außenwandtafeln zum Einsatz. Selbstbewusst wurde das Plattenraster als Fassaden-Gliederung betont. Mit dem Einkaufszentrum Webergasse wurde im Dresdener Stadtzentrum durch den Z-förmigen Grundriss und die wechselvolle Gliederung der Baukörper mittels Dachterrasse, Pergola und Freitreppe ein erfreuliches Ortsgefühl geschaffen.
Es dürfte für Wolfgang Hänsch eine Genugtuung sein, dass er es selbst war, der mit dem Wiederaufbau der Semperoper, die am 13. Februar vor 25 Jahren wieder eröffnet worden ist, dem Kulturpalast als Konzerthaus das Wasser abgegraben hat. Den ersten Auftrag zum Umbau des Opernhauses hatte 1937 Adolf Hitler persönlich an Wilhelm Kreis erteilt. Als man 20 Jahre später den Wiederaufbau vornahm, wurde an die rückwärtige Erweiterung angeknüpft. Die Zwangspausen zugunsten des Wohnungsbaues verhinderten überstürzte Entscheidungen und beförderten die Suche nach einer angemessenen Lösung. Es kam schließlich zu einer Abtrennung der Erweiterung in einen selbstständigen Neubau, der durch Brücken mit dem rekonstruierten Opernhaus verbunden ist. Es ist dem kultivierten, bedächtigen und beharrlichen Geist von Hänsch mit zu verdanken, dass ein Hausfrieden zwischen Denkmalschützern und neuem Bauen zustande kam. Er blieb Sempers Vision treu.
Der Band enthält ein ausführliches Gespräch des Herausgebers Wolfgang Kil mit dem Architekten, Aufsätze über Bauwerke (Semperoper, Kulturpalast, Haus der Presse, Einkaufspassage Webergasse, Wohnungsbau) und ein Werkverzeichnis. In seiner noble Gestaltung entspricht das Buch auch äußerlich der inhaltlich vertretenen Haltung.
Wolfgang Kil (Hg.): Wolfgang Hänsch – Architekt der Dresdner Moderne. form+zweck, Berlin 2009. 160. S., geb., 29 €.
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