Zurück aus dem Depot
Ostberliner jüdische Bibliothek in Halberstadt
Die Bibliothek der ehemaligen Jüdischen Gemeinde von Ostberlin hat seit Sonntag ihren festen Platz als Präsenzbibliothek in der Moses Mendelssohn Akademie in Halberstadt gefunden. Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, betonte aus diesem Anlass die große Bedeutung der Bücher im jüdischen Glauben. »Wir sind ein Volk der Bücher.«
Lala Süsskind betrachtet es als einen Glücksfall, dass die rund 10 000 Bücher von der Halberstädter Einrichtung zur Nutzung übernommen wurden. »Wir haben in Berlin die wohl größte jüdische Bibliothek Deutschlands und eine der bedeutendsten in Europa.« Die Zahl der dortigen Bibliothekseinheiten wird unterdessen auf über 100 000 beziffert.
Stöbern in der Synagoge
Nach der politischen Wende vereinigten sich die Berliner jüdischen Gemeinden, sie nutzten weiter den seit 1959 zusammengetragenen, deutlich größeren Buchbestand aus dem Westteil der Stadt. Die Bände der seit 1977 von Dr. Renate Kirchner in der Oranienburger Straße aufgebauten kleinen, aber feinen jüdischen Gemeindebibliothek Ost wurden schweren Herzens zunächst in ein Depot eingelagert. Mitte 2009 übergab die Berliner Gemeinde diesen Bestand der Halberstädter Moses Mendelssohn Akademie. Die Bücher haben in der Einrichtung, die seit 1996 wieder das Bild der historischen Stadt prägt, einen guten Platz gefunden. Galt die Klaussynagoge im Halberstädter Rosenwinkel, ein Rabbinerseminar, doch über Jahrhunderte als ein Ort des Lernens.
»Wenn ich durch die Regalreihen gehe, fühle ich mich in die Zeit zurückversetzt, als ich ein acht- oder neunjähriges Mädchen und auf Schatzsuche war«, meinte Lala Süsskind am Sonntag. »Und diese Bücher bergen große Schätze. Ich hoffe, dass sie nicht nur die Halberstädter zum Stöbern und Studieren einladen.«
Besucher aus elf Ländern
Jutta Dick, die Direktorin der renommierten Moses Mendelssohn Akademie, freut sich über die Erweiterung des wissenschaftlichen und kulturgeschichtlich bedeutsamen Bestands. »Die riesige Bibliothek umfasst Judaica aus rund 250 Jahren und bereichert nun unsere Hausbibliothek, die bisher von Schülern, Studenten und Forschern aus elf Ländern genutzt wurde«, sagte Dick.
Prof. Dr. Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums Potsdam, verwies auf die engen Bande, die das jüdische Leben von Halberstadt und Berlin einst verknüpften. Schließlich liegen wesentliche Wurzeln der Neoorthodoxie in der Vorharzkreisstadt. »Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Kontakte auch dank der Bibliothek wieder intensiver werden. Das reicht von Seminaren, die hier angeboten werden, bis hin zur Möglichkeit, dass der Gemeindevorstand hier tagt.«
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