Stadtwerke kritisieren AKW-Pläne
Gutachten: Laufzeitverlängerung zementiert Stromoligopol und behindert Erneuerbare
Berlin (dpa/ND). Kommunen machen Druck gegen die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken: Vertreter von 150 Stadtwerken legten am Montag in Berlin ein Gutachten vor, in dem kritisiert wird, die Laufzeitverlängerung »würde die oligopolistische Marktstruktur zementieren und Neuinvestitionen in moderne Kraftwerke bis zur Mitte der 2020er Jahre komplett verhindern«. Diese Auswirkungen würden den Vorgaben des europäischen Wettbewerbsrechts widersprechen.
Die kommunalen Energieunternehmen wollen erreichen, dass die vier Konzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW bei einer Verlängerung der Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke zum Abschalten alter klimaschädlicher Kohlekraftwerke gezwungen werden. Außerdem sollten die Zusatzgewinne der Konzerne, die das Gutachten bei einer Verlängerung um acht Jahre auf zusammen 60 Milliarden Euro beziffert, komplett vom Staat abgeschöpft werden. Die Bundesregierung will lediglich einen Teil zur Erforschung von Technologien wie der Energie-Speicherung für Kraftwerke und Elektroautos verwenden. Dies sei aber lediglich eine Notlösung. »Wir sind explizit gegen eine Laufzeitverlängerung«, sagte der Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck, Kurt Kuhn.
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hatte die geplante Laufzeitverlängerung schon vor Wochen kritisiert, weil damit die von den Stadtwerken und anderen Ökoenergiebetreibern geplanten Investitionen zum Ausbau erneuerbarer Energien in Milliarden-Höhe blockiert würden. Schon jetzt stünden geplante Kraftwerksinvestitionen der Stadtwerke von rund 6,5 Milliarden Euro in Frage.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sicherte den Stadtwerken zu, sie würden ebenso wie die großen Energiekonzerne im Rahmen des geplanten nationalen Energiekonzepts angehört. Beim Energiekonzept gehe es auch um Wettbewerb und die »Dominanz der Großen«, so der Umweltminister. »Ich werde mich mit den kommunalen Vertretern zusammensetzen, ihre Position anhören und sie auch mit den Energieversorgern in ein Gespräch einbinden.« Die Stadtwerke beklagen, dass die Bundesregierung die Konzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW als Ratgeber bevorzuge.
Nach Berechnungen der Umweltorganisation Greenpeace könnte die beabsichtigte Laufzeitverlängerung künftige Investitionen in erneuerbare Energien in Höhe von rund 200 Milliarden Euro bis 2030 verhindern. Bliebe es beim gesetzlich verankerten Atomausstieg, flössen diese Gelder in den Ausbau der Erneuerbaren, in Kraft-Wärme-Kopplung und Energiespartechnologien, wie aus dem Greenpeace-Energiekonzept »Plan B 2050« hervorgeht. Vor allem neue, mittelständische Unternehmen und Stadtwerke würden diese Klimaschutzinvestitionen leisten. Greenpeace fordert, den Atomausstieg zu beschleunigen und als Investitionsmotor für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu nutzen.
»Die Atomkraft ist keine Brücke in Richtung Erneuerbare Energien, sondern erweist sich als Dampfwalzentechnologie, die die Klimaschutzinvestitionen des Mittelstandes platt macht«, sagt Tobias Münchmeyer, Energieexperte bei Greenpeace. »Damit steht der dringend notwendige Umbau der Energieversorgung auf dem Spiel.« Bereits in klimafreundliche Energieversorgung geflossene Investitionen von rund 75 Milliarden Euro würden entwertet, wenn die erneuerbaren Energien in Zukunft noch stärker auf dem Strommarkt mit unflexiblen Atom- und Kohlekraftwerke konkurrieren müssten. Für diesen Ausfall müsste die Bundesregierung mit einer Schadensersatzklage mittelständischer Energieversorger in Milliardenhöhe rechnen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.