Frankreichs Sozialisten behaupten Regionen

Sehr hohe Enthaltung bei erster Abstimmungsrunde / Linksparteien noch hinter Front National

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Im ersten Wahlgang der französischen Regionalwahlen am Sonntag konnten die Sozialisten (SP) ihre Positionen behaupten und ausbauen.

Die Parti socialiste verdoppelte ihren Stimmanteil im Vergleich zu der für sie enttäuschend ausgefallenen Europawahl 2009. Die Linksfront aus Kommunisten und Partei der Linken erzielte ein beachtliches Ergebnis, das sie zum Mitregieren in den Regionen qualifiziert. Das gilt auch für die offene grüne Liste »Europe Ecologie«, selbst wenn diese hinter ihrem sehr guten Ergebnis bei der Europawahl zurückblieb.

Das gute Abschneiden der linken Parteien und Bündnisse wird allgemein als Abfuhr für die Politik von Präsident Nicolas Sarkozy und seiner Rechtsregierung gewertet. Dass allerdings 53,6 Prozent der wahlberechtigten Franzosen der Wahlurne ferngeblieben sind, was nur durch den traurigen Rekord bei der Europawahl 2009 mit 59,37 Prozent übertroffen wurde, wird als Zeichen verbreiteter Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit gesehen. Sie geht in erster Linie auf das Konto der seit 2002 regierenden Rechten, stimmt aber auch linke Politiker nachdenklich. Nach vorläufigen Angaben erzielten die Sozialisten im ersten Wahlgang im Landesdurchschnitt 29,5 Prozent der Stimmen, die rechte Einheitspartei UMP 26,3 Prozent, Europe Ecologie 12,5 Prozent, die rechtsextreme Front National 11,7 Prozent, die Linksfront 5,8 Prozent.

Um im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag allein antreten zu können, muss eine Liste über zehn Prozent erzielt haben. Bei mehr als fünf Prozent darf sie mit einer anderen Liste fusionieren. Unter dieser Schwelle blieb mit 4,24 Prozent die Zentrumspartei Modem von François Bayrou, die damit – wie ein Kommentator konstatierte – »politisch unbedeutend und entbehrlich« geworden ist.

Die Linksfront hatte seit Monaten gewarnt, dass ihr Zusammengehen mit den Sozialisten im zweiten Wahlgang davon abhängt, ob sich rechte Kräfte in der PS durchsetzen und die Partei ein Bündnis mit Modem eingeht. Da diese Gefahr eines faktischen Rechtsschwenks der Sozialisten gebannt scheint, steht einem Bündnis der Linksfront mit der PS nichts mehr im Wege. Bis Dienstagabend, wenn die Listen für den zweiten Wahlgang eingereicht werden müssen, laufen Verhandlungen zwischen den künftigen »Regierungskoalitionspartnern« in den Regionen. Die Führer der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon und Marie-George Buffet, verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass sich die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) von Olivier Besancenot, die nur 2,5 Prozent der Stimmen erzielte, selbst ins Abseits manövriert habe. Die NPA hatte jedes Zusammengehen mit anderen Linkskräften davon abhängig gemacht, dass sie sich von den Sozialisten abgrenzen und auch in den Regionen nie mit der PS gemeinsam Regierungsverantwortung übernehmen.

Die Sozialisten haben jetzt beste Aussichten, auch weiterhin zusammen mit ihren Bündnispartnern 20 von 22 Regionen des Landes – mit den Übersee-Regionen sogar 24 von 26 – zu regieren. In den restlichen zwei Regionen ist das Ergebnis noch offen: Auf der bisher von den Rechten regierten Insel Korsika ist ein Wahlsieg der Linken greifbar nahe, während sich im ebenfalls rechtsregierten Elsass ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen UMP einerseits und dem Bündnis aus Sozialisten, Linksfront und Grünen andererseits abzeichnet. Landesweit fehlt es der rechten Regierungseinheitspartei UMP für den zweiten Wahlgang an Reserven, da es keine Formation gibt, deren Liste mit ihr fusionieren könnte oder wollte, und von den Wahlverweigerern nur wenige für sie zu mobilisieren sein dürften. Hinzu kommt, dass die rechtsextreme Front National in den zwölf Regionen, wo sie im ersten Wahlgang mehr als zehn Prozent erzielte, auch im zweiten Wahlgang wieder antreten will. Dass sie damit potenzielle rechte Wähler von der UMP abzieht, ist die »Rache« der FN dafür, dass sich Sarkozy im Präsidentschaftswahlkampf 2007 etliche ihrer Positionen zu eigen machte und dadurch einen Großteil traditioneller FN-Wähler auf seine Seite zog. Dass die Front National im Landesdurchschnitt wieder 11,74 Prozent der Stimmen erhielt, die von ihrem letztmals kandidierenden 81-jährigen Führer Jean-Marie Le Pen angeführte Liste in der Region Provence-Alpes-Cote d’Azur sogar auf 20,29 Prozent kam und die Liste seiner Tochter und voraussichtlichen Amtsnachfolgerin Marine Le Pen in der Region Nord-Pas-de-Calais 18,31 Prozent erzielte, sind besorgniserregende Zeichen für eine Zuspitzung der politischen Lage in Frankreich.

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