Frauen und Kinder zuletzt
UN-Millenniumsziele im Gesundheitbereich sind kaum noch zu erreichen
Joachim Schmitt, Mitarbeiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), wiederholte die Bekenntnisse der jetzigen Regierung, bis 2015 mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungshilfe zu stecken. Die Relativierung dieser Marke durch Minister Dirk Niebel (FDP) als »sehr sportliches Ziel« wollte Schmitt nicht kommentieren. Er verwies auf fehlende Effizienz und ungeeignete Strukturen in den Empfängerländern für höhere Hilfebeträge. So solle in nächster Zeit jede einzelne NGO überprüft werden, auch ein Vergleich zwischen bilateraler und multilateraler Gesundheitshilfe sei angesagt. Veranstaltungsteilnehmer wiesen darauf hin, dies sei eine typische Argumentation bei künftigen Mittelkürzungen.
Nach Angaben von Shenard Mazengera von Oxfam Malawi ist die Umsetzung der Millenniumsziele nur noch verspätet möglich, wenn nicht sofort massiv in den Gesundheitssektor investiert werde. So sinke die Kindersterblichkeit in 62 Ländern nicht schnell genug, jährlich sterbe mehr als eine halbe Million Frauen an Komplikationen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt, die Hälfte davon in Subsahara-Afrika. Den Schlüssel für eine bessere Gesundheitsversorgung sieht der malawische Anwalt wie die meisten Diskussionsteilnehmer in der Armutsbekämpfung.
Zu den neuen Akzenten in der Entwicklungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung zählt BMZ-Mitarbeiter Schmitt die Aufwertung der Zivilgesellschaft wie der Wirtschaft. Dazu gehöre auch die bereits zum achten Mal stattfindende Dialog-Konferenz zum Thema Bevölkerung und nachhaltige Entwicklung, einst von Bayer Schering Pharma, einem führenden Hersteller von Verhütungsmitteln, aus der Taufe gehoben.
Tobias Hauschild von Oxfam Deutschland verwies auf Zahlen aus dem Jahr 2008, wonach von den Gesundheitszielen damals nur die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Plan lag, während schon absehbar war, dass Kinder- und Müttersterblichkeit nicht im beabsichtigten Maße reduziert werden könnten. Die Weltgesundheitsorganisation schätze die Finanzierungslücke für diesen Teil der Millenniumsziele auf etwa 37 Milliarden Dollar jährlich bis 2015.
Mit der Finanzkrise hat sich in einigen Staaten wie Deutschland der Wind noch deutlicher gegen die »teure« Entwicklungszusammenarbeit gedreht. Andere große EU-Partner haben dagegen ihre Hausaufgaben gemacht – darunter Großbritannien, Frankreich oder auch Spanien, das viel stärker als die Bundesrepublik von der Krise betroffen ist. Deutschland, so Hauschild, erfülle seine Zusagen nicht. 2010 liege man erst bei 0,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens statt, wie versprochen, bei 0,51 Prozent. Es fehlten etwa 3 Milliarden Dollar. Deutschland liege bei der Entwicklungshilfe noch immer unter dem Durchschnitt der 15 Staaten, die der EU am längsten angehören.
Ihre Hoffnungen setzten einige Teilnehmer auf neue Finanzierungsinstrumente. Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, wies darauf hin, dass über eine Finanztransaktionssteuer oder mit Abgaben auf Flugtickets im nationalen oder im EU-Rahmen schnell große Summen bereitgestellt werden könnten. Die NGOs sollten dann darauf drängen, dass zumindest ein Teil der Einnahmen für die Unterstützung der ärmeren Länder verwendet werde.
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