Mit Buch ins Seebad
Usedomer Literaturtage führen mit »Odergeschichten« von der Ostsee nach Schlesien
Literatur hat auf Usedom eine lange Tradition – man denke an die Swinemünder »Kinderjahre« von Fontane, an die Sommerfrischler Maxim Gorki und Thomas Mann oder an Hans Werner Richter, den aus Bansin stammenden Gründer der Gruppe 47. Nun führen die Usedomer Literaturtage diese Tradition weiter und laden vom 24. bis 27. März Schriftsteller und Autoren auf die Ostsee-Insel ein. Die Veranstaltungsorte sind über ganz Usedom verteilt; zudem kann man die Insel am 26. März bei einer Rundfahrt mit literarisch-musikalischem Begleitprogramm genauer erkunden.
Bei diesem Ableger des bereits seit 16 Jahren existierenden Usedomer Musikfestivals steht der regionale Bezug im Vordergrund. Die Literaturtage, die 2010 zum zweiten Mal stattfinden, haben das Motto »Odergeschichten«. Sie bewegen sich thematisch entlang der an Usedom vorbei in die Ostsee fließenden Oder, die wie kaum ein anderer Fluss den historischen Wandel Europas widerspiegelt.
Bis nach Schlesien
Eine imaginäre Reise führt flussaufwärts nach Schlesien mit seiner Hauptstadt Breslau, dem heutigen Wroclaw – Heimat einer ganzen Reihe bedeutender Schriftsteller, darunter Heinrich von Kleist, Joseph von Eichendorff, Gerhart Hauptmann oder Gottfried Benn. Zu ihnen gehört auch Horst Bienek mit seiner »Oberschlesischen Chronik«, den vier zwischen 1975 und 1982 entstandenen Gleiwitz-Romanen. Die Usedomer Literaturtage feiern mit einer Matinee am 27. März den 80. Geburtstag Bieneks.
Aus Schlesien stammt auch Christoph Hein, der am 25. März aus seinem 2004 erschienen Buch »Landnahme« liest. Der Protagonist des Romans, Bernhard Haber, zieht 1950 mit seinen Eltern von Breslau in die sächsische Provinz. Anhand der Lebensgeschichte dieses Außenseiters skizziert Hein einen exemplarischen Verlauf der deutschen Nachkriegsgeschichte. Eingeladen nach Usedom sind zudem mehrere Autoren, die sich dem Leben an der Oder nicht dichterisch-fiktiv annähern, sondern mit der ganz realen Geschichte und Gegenwart dieser Region auseinandersetzen. Uwe Rada hat mit »Die Oder. Lebenslauf eines Flusses« 2009 eine Geschichte des deutsch-polnischen Grenzgebiets veröffentlicht. Tina Veihelmanns »Aurith/Urad. Zwei Dörfer an der Oder« erzählt von Schmugglern, Deichbrüchen, Schweinswürsten und vielen anderen Dingen, die das Leben diesseits und jenseits des Flusses heute bestimmen. Beide Autoren sind bei der Eröffnung am 24. März zu Gast. Neben den »Odergeschichten« liegt ein zweiter Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe auf der Gruppe 47, in der sich zwischen 1947 und 1967 die wichtigsten westdeutschen Autoren versammelten. Hans Werner Richter, Gründer und Kopf der Gruppe, wuchs im Kaiserbad Bansin auf. Das ehemalige Feuerwehrhaus ist dort heute Gedenkstätte und Museum. Ein wichtiger Teilnehmer an Richters Schriftsteller-Treffen war Joachim Kaiser, langjähriger Chef-Kritiker der Süddeutschen Zeitung.
Historische Breslau-Krimis
Kaiser unterhält sich am 26. März mit dem Literaturkritiker Hellmuth Karasek über die gemeinsame Vergangenheit in der Gruppe 47. Hochspannend geht es schließlich am 27. März beim Finale der Usedomer Literaturtage zu, das der polnische Krimi-Autor Marek Krajewski bestreitet. Bekannt wurde er durch seine bislang sechs Krimis um Kommissar Mock, der seine Fälle stets im topographisch und historisch genauestens geschilderten deutschen Breslau von vor 1945 löst.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.