Reformlehre in der Kritik

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Das Erschrecken war groß, als Anfang März bekannt wurde, dass an der reformpädagogisch orientierten Odenwaldschule im hessischen Ober-Hambach jahrzehntelang Schüler von Lehrern sexuell missbraucht wurden. Die Reformpädagogik sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, durch die Propagierung einer engen Bindung zwischen Lehrern und Schülern Übergriffe auf Kinder zu begünstigen. Die Kritik ist nicht ganz unbegründet. Viele Vertreter der Reformpädagogik wie etwa der Gründer der Odenwaldschule, Paul Geeheb, stellten das Zusammenleben von Lehrern und Schülern über den Unterricht hinaus in den Mittelpunkt ihres Erziehungsideals Auch Hartmut von Hentig, der »Vater« der westdeutschen pädagogischen Reformbewegung, gilt als Verfechter eines engen Lehrer-Schüler-Verhältnisses.

Doch die Reformpädagogik hat sich längst von solchen Theorien emanzipiert. Auch in der Odenwaldschule ist heute das Zusammenleben von Lehrern und Schülern in sogenannten Familien nicht mehr Pflicht für die Pädagogen; viele Lehrer unterrichten zwar an der Schule, leben aber außerhalb des Internats. Auch die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) warnte auf ihrer jüngsten Tagung in Mainz davor, die Missbrauchsfälle zum Vorwand zu nehmen, »die Demokratisierung der pädagogischen Praxen in den zurückliegenden gut dreißig Jahre infrage zu stellen«. Jürgen Amendt

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