Senioren statt Nachwuchs
In Bayern werben erste Firmen um Rentner
München. Ihre erste Bewerbung schrieb Helga Schleinitz mit 63 Jahren. Als ihr Mann starb und das Geld knapp wurde, suchte sie nach Jahrzehnten als Hausfrau einen Job – und fand ihn bei McDonald's. »Die Stelle ist das Glück meines Lebens«, sagt die heute 68-Jährige nun sogar in einem Werbespot der Fast-Food-Kette.
Helga Schleinitz gehört zur wachsenden Gruppe derer, die jenseits des Rentenalters arbeiten und ihre Stellen auch deshalb bekommen, weil es den Firmen zunehmend an Nachwuchs mangelt: Der demografische Wandel zwingt die Unternehmen zum Umdenken – und lässt jetzt die ersten sogar aktiv um ältere Mitarbeiter werben.
Ein einziger Kurzfilm machte Helga Schleinitz bundesweit bekannt und McDonald's als Arbeitgeber bei Senioren präsenter. »Zwangsläufig wird die Zahl der älteren Mitarbeiter durch die demografische Entwicklung in den Unternehmen zunehmen, auch bei uns«, sagt McDonald's-Sprecherin Christiane Wörle.
Drohende Altersarmut
Branchenübergreifend ist der Anteil von Erwerbstätigen im Rentenalter bereits in der Vergangenheit stark gestiegen. 7,6 Prozent der 65- bis 69-Jährigen hatten laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2008 bundesweit einen Job. Das sind zwei Prozent mehr als sieben Jahre zuvor.
»Die Gründe sind vielfältig«, sagt Johann Fuchs vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. »Geldknappheit durch die kleiner werdenden Renten spielt natürlich eine Rolle, aber bei einigen Menschen ist es auch einfach die Langeweile, die sie weiterarbeiten lässt.« In Zeiten, in denen Deutschlands Bevölkerung immer kleiner wird, die Zahl der Älteren aber umso mehr ansteigt, werden Senioren für den Arbeitsmarkt attraktiver. »Die Zukunft gehört den Alten, weil es in Zukunft immer wenige junge Arbeitnehmer geben wird«, sagt die Bremer Altersforscherin Ursula Staudinger. Sie sieht das kalendarische Alter nur als »grobe Richtschnur« für die Leistungsfähigkeit. Auch Helga Schleinitz fühlt sich nach wie vor innovativ und belastbar – jung geblieben, trotz ihrer 68 Jahre.
»Die typische Dreiteilung der Lebensabfolge in Bildung, Arbeit und Ruhestand ist nicht mehr zeitgemäß«, meint Staudinger. »Wenn einer heute 65 geworden ist, lebt er in der Regel noch 20 Jahre. Das ist ein zu langer Zeitraum, um alles einfach ausklingen zu lassen.« Trotzdem ist Helga Schleinitz bisher noch eine unter wenigen Älteren beim Fast-Food-Riesen McDonald's. Von 60 000 Mitarbeitern sind nach Angaben des Unternehmens bundesweit nur knapp 50 über 65 Jahre alt.
Billiger Ersatz
Andere Firmen haben schon mehr Erfahrungen mit Senioren gesammelt. Der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch gründete schon vor elf Jahren eine Tochtergesellschaft für ehemalige Mitarbeiter aus allen Bereichen. Rund 900 Ruheständler im Alter zwischen 60 und 75 Jahre sind inzwischen registriert. Sie springen immer dann ein, wenn Bedarf ist – auch im Ausland. Für Bosch ist das vor allem billiger, als sich über ausgelagerte Firmen Ersatz zu holen.
Eine Menge Flexibilität ist da gefragt angesichts der im Schnitt 40-tägigen Einsätze. »Es gibt viele, die mit um die 60 noch nicht komplett in den Ruhestand gehen wollen. Bei uns können sie nicht nur weiter mitarbeiten, sondern werden nach wie vor gebraucht«, sagt eine Bosch-Sprecherin.
Von weniger positiven Erfahrungen spricht der Autovermieter Sixt. Er wollte vor gut vier Jahren verstärkt ältere Mitarbeiter einstellen. Die ernüchternde Bilanz von Konzernchef Erich Sixt war eindeutig: »Sie haben nicht die Flexibilität mitgebracht, die wir brauchen«, sagte er damals. Sixt ist inzwischen 65 Jahre alt – und denkt immer noch nicht an die Rente.
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