Flüchtlinge dürfen auf Freizügigkeit hoffen

LINKE sieht gute Aussichten für Bundesratsinitiative / Bewegungsfreiheit im Bundesland wahrscheinlich noch im Frühjahr

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wo ein Wille ist, muss auch ein Weg sein«, glaubt Katharina Dahme. Offenbar mangele es der rot-roten Koalition am Willen, die unmenschliche Residenzpflicht abzuschaffen, sagte die Sprecherin der märkischen Linksjugend solid. Die Residenzpflicht besagt, dass Flüchtlinge den Landkreis, in dem sie gemeldet sind, nicht ohne Genehmigung verlassen dürfen. Diese Vorschrift beruht auf Bundesrecht.

SPD und LINKE vereinbarten jedoch in ihrem Koalitionsvertrag, sich dafür einzusetzen, die Residenzpflicht für Asylbewerber und geduldete Ausländer abzuschaffen. Wenigstens sollte gemeinsam mit dem Berliner Senat erreicht werden, dass sich die Flüchtlinge innerhalb von Berlin und Brandenburg frei bewegen dürfen. Für Verstimmung sorgten nun Berichte, die Residenzpflicht werde doch nicht wesentlich gelockert.

»Sich hinter Bundesrecht zu verstecken, zeugt nicht gerade von politischem Mut«, rügte Martina Maurer vom Berliner Flüchtlingsrat gestern. Eine Bundesratsinitiative sei zwar sinnvoll. »Doch auf deren Erfolg kann man sich nicht verlassen.«

Dagegen betonte der Landtagsabgeordnete Stefan Ludwig (LINKE), man stehe nicht auf verlorenem Posten, sondern kurz vor dem Erfolg. Es gebe sogar CDU-geführte Bundesländer mit grundsätzlichen Bedenken gegen die Residenzpflicht. Deshalb sei man »begründet optimistisch«. Die Aufregung sei unberechtigt. Auf jeden Fall werde die Beschränkung auf die Landkreise aufgehoben. Brandenburg könne den Flüchtlingen erlauben, sich zumindest im gesamten Bundesland frei zu bewegen, und werde dies auch tun. An der entsprechenden Verordnung werde gearbeitet. Die Frage sei jetzt, ob Berlin einbezogen werden kann oder ob dagegen das Bundesrecht steht.

»Wahrscheinlich wird in diesem Frühjahr alles entschieden sein«, erklärte Ludwig. Damit meinte er, dass die Freizügigkeit innerhalb von Berlin und Brandenburg dann schon erlaubt und die Bundesratsinitiative gestartet ist. Rot-Rot sei jedenfalls nicht untätig gewesen und habe an diesem Thema vom ersten Tag an gearbeitet. Schon vier Wochen nach Antritt der Regierung sei es Flüchtlingen aus Brandenburg gestattet worden, zu Gottesdiensten nach Berlin zu fahren. Dies sei so unkompliziert möglich gewesen, weil die Religionsausübung durch das Grundgesetz geschützt sei.

»Erlasse, die es Flüchtlingen erlauben, zum Beispiel für den Besuch von Gottesdiensten ins jeweils andere Bundesland zu fahren, reichen nicht aus«, findet Kay Wendel vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Es gehe nicht um Ausnahmeregelungen, sondern um das generelle Recht auf Bewegungsfreiheit – und das müsse auch für Flüchtlinge gelten. Nach Darstellung von Ludwig ist die Gottesdienst-Regelung aber tatsächlich nur der Anfang.

2215 Verfahren wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht sind in Berlin für das Jahr 2008 registriert. Das geht aus der Antwort von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Robbin Juhnke hervor. Für 2009 liegt noch keine Zahl vor. Wie viele Flüchtlinge aus Berlin außerhalb der Hauptstadt bei Verstößen gegen die Residenzpflicht ertappt wurden, das sei nicht statistisch erfasst, heißt es.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.