Kleine Finanzspritze – große Hilfe
Mit Mikrokrediten können sich auch Kleinunternehmer auf dem Markt behaupten
Die einfachen Ideen sind manchmal die besten: Bioläden gibt es in Prenzlauer Berg beinahe so viele wie Discounter. Auf den ersten Blick scheint der Markt gesättigt. Doch bei genauer Sondierung der Branche fiel Stephan Greulich auf, dass die Lebensmittel zwar ökologisch kontrolliert angebaut werden, Gebrauchsgegenstände aber nur selten unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit produziert sind. Das hinke, findet er. Darin sehen er und seine Lebenspartnerin Andrea Kuserau ihre Chance.
Kurz nach Ostern eröffnen sie ihren Laden namens »Konsumhelden« in der Pappelallee – ein Geschäft für nachhaltig gefertigte Produkte. Startkapital bringen beide zu gleichen Teilen ein. Weil Andrea Kuserau aber erst im Sommer an das Geld herankommt, drohten bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee Turbulenzen. Sie suchten eine schnelle Zwischenfinanzierung für das erste Ladensortiment, eine Summe von 10 000 Euro.
Die Arbeitsagentur gab ihnen einen Tipp, und sie meldeten sich bei iq consult. Die Unternehmensberatung für soziale Projekte hat sich in den letzten Jahren auf die Vermittlung von Mikrokrediten spezialisiert. Solche Darlehen werden als Starthilfe für eine Geschäftsidee wie bei den Konsumhelden vergeben – oder für Kleinunternehmen, die im überschaubaren Rahmen investieren wollen. »Um ein Projekt anzuschieben, brauchen viele Unternehmer keine großen Beträge«, weiß Thorsten Jahnke, Geschäftsführer von iq consult.
Doch Existenzgründer und Kleinunternehmer stehen häufig vor dem großen Problem, dass sie bei den Banken keine Darlehen über wenige Tausend Euro bekommen. Für diese lohnen sich kleine Kredite, wie sie iq consult über die Gemeinschaftsbank GLS vermittelt, nicht. Bei einer Verzinsung von 7,5 Prozent und einer Laufzeit von einigen Monaten verdient ein Kreditinstitut nicht viel. Das Modell funktioniert bei iq consult auch nur, weil die Deutsche-Bank-Stiftung mit einem Fonds die Mikrokredite absichert.
Auch die Bundesregierung sah Handlungsbedarf. Ende Januar hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen Mikrokreditfonds über 100 Millionen Euro aufgelegt. Nunmehr bekommen die Berater von iq consult für jedes vermittelte Darlehen eine Aufwandsentschädigung von 800 Euro. »Bislang gingen die Kredite vor allem an Unternehmen, mit denen wir bereits zusammenarbeiteten«, meint Jahnke. Das habe sich jetzt geändert. Er peilt über den Daumen: In zehn Jahren habe iq consult etwa hundert Darlehen vermittelt, alleine in den letzten zwei Wochen kamen 20 hinzu.
Mikrokredite sind mehr als Peanuts; ihre volkswirtschaftliche Bedeutung unterstreicht eine Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): Von den vier Millionen Kleinunternehmern in Deutschland benötigen 40 Prozent einen Kredit; jeder vierte Antragsteller bekommt aber keinen. Dadurch geht viel Potenzial verloren, Investitionen können nicht getätigt und Insolvenzen nicht abgewendet werden.
In einer solchen Situation war Stefan Höpner. Im vorigen Jahr eröffnete er in der Samariterstraße eine Eisdiele. Ein stiller Teilhaber stellte 25 000 Euro für die Renovierung und Erstausstattung zur Verfügung. Das ist nicht viel. Ende Juli konnte er aufmachen, im August und September lief der Laden, im Oktober war die Saison vorbei. Über den Winter wollte Höpner sich als Arbeiter im Innenausbau Rücklagen erwirtschaften. Allerdings bekam er gesundheitliche Probleme – zwei Rückenwirbel blockierten –, und die Not wurde groß. Er musste auf Hartz IV zurückgreifen, die Eisdiele stand vor dem Aus. »Meine Bank würde mir nicht einmal einen Dispo geben«, meint er.
iq consult griff ihm unter die Arme. »Wir haben die Anforderungen für die Kreditvergabe heruntergeschraubt«, erklärt Jahnke. Wenn das Konzept tragfähig ist, reicht ein persönliches Gespräch; selbst ein Schufa-Eintrag ist per se kein Ausschlusskriterium. Stefan Höpner bekam einen Kredit über 1600 Euro und hat pünktlich zu den ersten warmen Tagen seine Eisdiele aufgemacht.
Mikrokredite waren bislang eher in Entwicklungsländern bekannt, die Grameen Bank in Bangladesh bekam dafür vor vier Jahren einen Nobelpreis. Nun sind sie auch in Deutschland angekommen – als Hilfe zur Selbsthilfe.
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