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Leseprobe
Außenhändler
Der erste Satz fällt am schwersten. »Ich wollte nie Minister werden«, heißt er in Hermann Kants »Impressum«. So könnte ich nie beginnen. Aber nicht, weil ich Minister habe werden wollen, sondern wegen des Personalpronoms. Noch immer fällt es mir schwer, die 1. Person Singular in Texten zu verwenden, in denen es um Gerhard Beil geht.
Beim Schreiben habe ich dann gemerkt, dass ich nicht immer »wir« schreiben kann, wenn ich nachweislich allein war. Als ich am 14. August 1961, am Montag nach den Grenzmaßnahmen, aufbrach, um einige unserer Außenhandelsvertretungen im westlichen Ausland aufzusuchen, war ich nachprüfbar der erste DDR-Bürger, der nach dieser Zäsur das Land dienstlich verließ. Wenn ich bei der historischen Wahrheit bleiben will, muss ich also schreiben, dass der 34 Jahre alte DDR-Außenhändler Beil allein reiste und nicht als einköpfige Delegation. Und wenn dieser berichtet, was nur er berichten kann, verbietet sich die 3. Person oder gar der Pluralis majestatis von selbst.
So kollidierten denn, als ich mich schreibend erinnerte, fortgesetzt individuelle Zurückhaltung und jahrzehntelanges Selbstverständnis eines DDR-Politikers, der stets als Mensch »hinter der Sache« zurückgetreten war, mit der Verpflichtung zur wahrheitsgetreuen Wiedergabe von Vorgängen. Der Bruch mit tradierten Gewohnheiten kostete mich mehr Überwindung als die Offenlegung von Interna aus meiner Ministerzeit. Denn im Unterschied zur Annahme der bundesdeutschen Justiz, die meinen Keller randvoll mit Leichen vermutete, weshalb sie mich nach 1990 mit mehr als ein Dutzend Ermittlungsverfahren überzog, lag und liegt dort keine einzige. Darum endeten auch all diese Verfahren wie das Hornberger Schießen.
Aus dem Vorwort von Gerhard Beil »Außenhandel und Politik. Ein Minister erinnert sich« (Edition Ost, 287 S., geb., 19,90 €).
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