Norwegens Frauen an der Macht
Gesetz über Frauenquote in Unternehmensführungen hat sich bewährt
Eine »Quotenfrau« zu sein – von diesem Komplex scheinen sich Frauen in Norwegens Aufsichtsräten seit der Einführung einer Quote Anfang 2008 weiter zu emanzipieren. »Qualifizierte Quotenfrau«, sei schließlich redlicher, als jahrelang mit den Chefs Fußball zu spielen und in der Sauna Karrierepläne zu schmieden, unken die Norwegerinnen inzwischen selbstbewusst.
Ausgerechnet der damalige bürgerliche Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen drohte Unternehmen bereits 2002: »Wenn nicht mehr Frauen in die Aufsichtsräte kommen, werden wir sie gesetzlich dazu zwingen«. Gesagt, getan. Ab 2006 lebten die Unternehmen mit der Gewissheit um das kommende, damals weltweit einmalige Gesetz. Ihm zufolge müssen börsennotierte Unternehmen die Aufsichtsräte zu möglichst gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammensetzen. In einem Gremium mit vier bis fünf Mitgliedern müssen von beiden Geschlechtern zwei Vertreter dabei sein, bei sechs bis acht Posten mindestens drei Männer und drei Frauen. Ab zehn Mitgliedern gilt eine Quote von 40 Prozent je Geschlecht. Die Regelung betraf über 520 private Aktiengesellschaften (AG) und den staatlichen Sektor. AGs, die die Quote nicht erfüllten, sollten maximal zwei Mahnungen bekommen, danach würden sie »zwangsaufgelöst«.
Im norwegischen Wohlfahrtsstaat, in dem Erdölreichtum und Förderunternehmen staatlich sind, ist man eine starke staatliche Hand gewöhnt. Vor allem die volkswirtschaftlich bedeutenden staatlichen Unternehmen gingen denn auch als folgsame Musterschüler voran.
Das Ergebnis: Zu Zwangsauflösungen kam es nicht. Aber der Frauenanteil in den Aufsichtsräten hat sich mehr als verdoppelt – auf 44 Prozent (Schweiz: 7, Deutschland und Frankreich: 8, Großbritannien 11). Und die Welle breitet sich aus: Selbst in kleineren Gesellschaften, für die die Regelung nicht bindend ist, stieg der Anteil auf über 30 Prozent. Vor Einführung des Gesetzes hatten nur 17,5 Prozent der Firmen solche Quoten.
Nur die Vorsitzenden der Aufsichtsräte bleiben bis heute zu 94 Prozent Männer. Zum einen soll das daran liegen, dass das Gesetz noch nicht lange genug besteht. Zudem hätten Frauen nach wie vor den Konkurrenznachteil, in der Mutterschaft aussteigen zu müssen. Die Diskussion dreht sich aber nicht mehr darum, ob eine gesetzliche Quote rechtens ist.
Selbst die norwegische Arbeitgeberorganisation NHO warb von Anfang an für die Vorteile einer möglichst schnellen Umsetzung. »Ein Mangel an qualifizierten Frauen gab es nicht«, sagt NHO Sprecherin Sigrun Vågeng. Norwegerinnen gelten zudem im Durchschnitt als besser ausgebildet als Männer. Dazu ermöglichte die Regelung Unternehmenschefs die Erneuerung und oft auch Verjüngung der Führungsspitze ohne interne Machtkämpfe.
Der Chef des norwegischen Versicherers Storeband, Idar Kreutzer, fasst die gegenwärtige Haltung der Quotenskeptiker treffend zusammen: »Grundsätzlich lehne ich Quoten ab. Aber es ist mir bisher nicht gelungen, wegen dieses Gesetzes irgendwelche Mängel zu entdecken«, sagt er der »Financial Times«.
Frauenquote
In Deutschland ist die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten noch keine Realität. Gesetzliche Regelungen gibt es nicht und die meisten Großkonzerne peilen auch intern keine an. Die Telekom aber preschte im Februar mit der Meldung vor, 30 Prozent aller Führungsposten bis zum Jahr 2015 mit Frauen zu besetzen. Das Unternehmen bleibt aber wohl zunächst einziger DAX-Konzern, der eine Quote einführt, die anderen halten laut eigener Aussage ihre Frauenförderungsprogramme für ausreichend. grg
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.