Frauen kommen oben nicht an
Senat und Wirtschaftsvertreterinnen wollen mehr weibliche Führungskräfte
»Männlich, deutsch und um die 60«, titelte kürzlich das »Handelsblatt«, so sehen die Vorstände deutscher Unternehmen aus. Obwohl der Weg zur Gleichberechtigung schon seit 20 Jahren beschritten wird, bestehen auch im Jahre 2010 nur etwa zehn Prozent der Aufsichtsräte der 200 größten deutschen Unternehmen aus Frauen. In der Vorstandsebene sieht es noch schlechter aus. »Nur 0,9 Prozent Frauen sind in den Vorständen. Das ist eine geschlossene Monokultur«, kritisierte Frauensenator Harald Wolf am Montagabend in Berlin.
Zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft wurde diskutiert, welche Strategien zu einer besseren Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen führen könnten. Einig waren sich alle Anwesenden, dass die Thematik in der Öffentlichkeit immer mehr wahrgenommen wird. Und eine Quotenregelung vonnöten ist.
»In Deutschland machen immer mehr Frauen das Abitur, über 50 Prozent. Universitätsabsolventinnen schneiden im Durchschnitt besser ab als ihre männlichen Kommilitonen. Da kann es nicht sein, dass diese hochqualifizierten Kräfte oben nicht ankommen«, so Wolf. Nicht nur die Frauen würden dadurch benachteiligt. Auch der Wirtschaft würden so Ressourcen verloren gehen. »Studien belegen, dass eine ausgewogene Präsenz von Frauen ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist«, weiß Jutta von Falkenhausen, Juristin und Gründungsmitglied von FidAr – die Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte.
Die Gründe für die Unterrepräsentanz sind vielfältig. Zum einen machen es die gesellschaftlichen Strukturen Frauen nicht leicht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Zum anderen ist ein traditionelles Rollenbild nach wie vor weit verbreitet, auch bei Frauen. Jedoch ist die Ausrede, es gebe keine hinreichend qualifizierten Frauen, um ihnen die Leitung eines Unternehmens zu überlassen, falsch. Obwohl einige Nachbarländer diesbezüglich schon vor Jahren rechtliche und politische Regelungen geschaffen haben, sträubt sich die Bundesrepublik, gleichzuziehen. Die schwarz-gelbe Regierung gibt sich mit Selbstverpflichtungserklärungen der Konzerne zufrieden, obwohl die Jahre gezeigt haben, dass das nicht funktioniert.
2008 legte Norwegen mit einer gesetzlichen Quote von 40 Prozent Frauen in Kontrollgremien der börsennotierten Unternehmen vor. Schweden und Finnland folgten. Auch in den Niederlanden und Frankreich wurden politische Weichen gestellt. Frankreich möchte in sechs Jahren die 40-Prozent-Marke erreichen. Bedenken, eine Quotenregelung sei verfassungsrechtlich problematisch, wurden bei der Veranstaltung widerlegt. »Im Grundgesetz steht, dass der Staat die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männer und Frauen fördert (Art.3 II 2 GG). Eine Quote wäre also durchaus verfassungskonform«, versicherte Joachim Wieland von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er plädierte für eine Ein-Drittel-Lösung. Damit verschrecke man die Unternehmen nicht. Außerdem halte er eine Übergangszeit von drei Jahren für hinreichend, um die jeweiligen Stellen zu besetzen.
Eine Quote hätte man am Montagabend auch gebraucht. Allerdings eine für Männer, denn die waren im gut gefüllten Saal an einer Hand abzuzählen.
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