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Ist das Grundgesetz rassistisch?
Hendrik Cremer will den Begriff »Rasse« aus der Verfassung entfernen / Cremer ist wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Institut für Menschenrechte
ND: Herr Cremer, das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert, den Begriff »Rasse« aus Artikel 3 des Grundgesetzes zu streichen. Warum?
Cremer: Der Begriff ist historisch extrem belastet. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es Theorien und Konstrukte, nach denen Menschen in unterschiedliche »Rassen« eingeteilt werden, was darin gipfelt, dass nach höher- und minderwertigen »Rassen« unterschieden wird. Der Wortlaut des Grundgesetzes nimmt gerade die Perspektive solcher Theorien ein.
Welche Formulierung schlagen Sie stattdessen vor?
Die Zielsetzung des Artikels ist es, rassistische Diskriminierungen zu untersagen. Insofern sollte man die Sache beim Namen nennen und von rassistischer Benachteiligung oder Bevorzugung sprechen, die verboten ist.
Der Begriff »Rasse« ist, wie Sie sagen, »historisch extrem belastet«. Warum steht er dann im Grundgesetz, der rechtlichen und politischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland?
Durch die Formulierung wollten sich die Verfasser des Grundgesetzes« ursprünglich von der Ideologie der Nationalsozialisten distanzieren. Dies ist auch ein Grund, weshalb er sich bis heute in internationalen Dokumenten findet. Doch mit genau diesem Begriff lässt sich Rassismus nicht glaubwürdig bekämpfen. Mehr noch, er trägt dazu bei, rassistisches Denken zu fördern.
Wären Sie damit einverstanden, »Rasse« durch »Ethnie« einfach zu ersetzen?
Im europäischen Recht werden häufig die Begriffe »ethnische Herkunft« oder »ethnische Zugehörigkeit« verwendet. Wir sind der Meinung, dass auch dieser Begriff problematisch ist. Ebenso wie »Rasse« suggeriert er, dass es bestimmte Gruppen gibt, die man nach objektiven Maßstäben unterteilen könne. Es würde also qua Gesetzgeber unterstellt, dass es bestimmte homogene Menschengruppen gibt, deren individuelle Mitglieder quasi wesensgleiche Eigenschaften haben.
Gibt es neben dem Grundgesetz noch andere Gesetzestexte auf Länder- oder Bundesebene, in denen ähnliche Formulierung zu finden sind?
Ja, es gibt eine Reihe von Gesetzestexten, die den Begriff »Rasse« beinhalten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zum Beispiel, das Benachteiligungen von Menschen verhindern soll. Auch hier fordern wir eine Änderung. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt uns dabei.
Das Europäische Parlament fordert seit langem, von der Verwendung des Begriffs »Rasse« in Gesetzen der EU Abstand zu nehmen. Auch die UNESCO hat eine Distanzierung in öffentlichen Dokumenten gefordert. Warum nicht auch der Bundestag?
Dass sich Bundestag bisher mit der Formulierung nicht beschäftigt hat, ist bedauerlich. Es wäre natürlich sehr zu begrüßen, wenn sich das Parlament unserer Forderung annehmen und möglichst bald Änderungen auf einfach-gesetzlicher Ebene sowie im Grundgesetz vornehmen würde.
Wer kann eine Änderung durchsetzen? Und welche parlamentarischen Mehrheiten sind dafür notwendig?
Bei der Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich. Bei den einfach-gesetzlichen Bestimmungen wie zum Beispiel dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz würde eine einfache Mehrheit, also mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, ausreichen.
Fragen: Christian Klemm
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