Haus des Abschieds

Im sauerländischen Olpe wurde vor einem Jahr das erste deutsche Jugendhospiz eröffnet

  • Karin Vorländer, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Jahr 1998 war in Olpe das erste Kinderhospiz eröffnet worden. 2009 entschloss sich die Gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, ein weiteres Mal Vorreiter zu sein: Sie eröffnete das bundesweit erste Hospiz für Jugendliche.

Olpe. Die Altersgenossen von Robin (Name geändert) freuen sich aufs Erwachsenwerden und machen Pläne: Schulabschluss und Führerschein, Ausbildung und Beruf, verreisen und sich von zu Hause abnabeln. Pläne, die für den 18-Jährigen wohl niemals Wirklichkeit werden: Als er drei Jahre alt war, wurde bei ihm Muskelschwund festgestellt. Robin weiß, dass er nicht alt werden wird. Während Gleichaltrige immer unabhängiger von den Eltern werden, ist er zunehmend auf Hilfe angewiesen: Sein Muskelgewebe wird nach und nach abgebaut, eines Tages werden auch Atem- und Herzmuskulatur von der Lähmung betroffen sein.

Trotz dieser Belastung versuchen Robin und seine Eltern möglichst »normal« zu leben. Seine Aufenthalte im Kinderhospiz Balthasar im sauerländischen Olpe nennt er Urlaub. Seit 1998 können Kinder, die an lebensverkürzenden Krankheiten leiden, in dem ältesten deutschen Kinderhospiz gemeinsam mit ihren Eltern bis zu vier Wochen Auszeit pro Jahr nehmen. Die Kinder werden pädagogisch, medizinisch und psychologisch liebevoll betreut. Die Namen gestorbener Kinder stehen auf den Flügeln von bunten Windrädern, die sich im Garten hinter dem Hospiz im Wind drehen.

Robin ist aus dem Kinderhospiz herausgewachsen. Jeder vierte der früheren Kinderhospiz-Gäste ist inzwischen 16 Jahre und älter. Sie mögen nicht mehr mit Teddys kuscheln, früh ins Bett gehen. Auch die Beschäftigungsangebote und die psychosoziale Betreuung passen nicht mehr. Für ein Erwachsenenhospiz fühlen sie sich zu jung.

Per Knopfdruck

Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, ein weiteres Mal Vorreiter zu sein: Sie eröffnete 2009 das bundesweit erste Hospiz für Jugendliche, das für 1,9 Millionen Euro neben das Kinderhospiz gebaut wurde. Im ersten Jahr wurden 48 Jugendliche aufgenommen, einige mehrmals. Der Altersdurchschnitt liegt bei 20 Jahren. In den vier in leuchtenden Tönen eingerichteten Zimmern ist Selbstständigkeit Trumpf: Internet-Anschluss, Telefon und Fernseher gehören zum Standard. Die Medizintechnik mit zentraler Sauerstoffversorgung, Beatmungsgeräten und Schmerzpumpen ist hinter einer Regalwand untergebracht – die Atmosphäre einer Intensivstation soll möglichst vermieden werden. Alle elektrischen Geräte im Zimmer können per Knopfdruck vom Bett aus bedient werden.

In der Küche können die Jugendlichen selbst kleine Mahlzeiten zubereiten, auch einen Werk- und einen Aufenthaltsraum mit Kamin gibt es. In Besucherzimmern kann eine Begleitperson untergebracht werden – ein Elternteil, Freund oder Freundin. Ein großes Freizeitprogramm ist nicht gefragt: Die Jugendlichen wollen vor allem unter sich sein, Musik hören und Sportveranstaltungen besuchen, wie »ganz normale« Jugendliche.

Von Urlaub oder einer »Jugendherberge für Todkranke« mag Hospizleiter Rüdiger Barth nicht sprechen. Die Betroffenen leisteten in der Einrichtung schon zu Lebzeiten so etwas wie Trauerarbeit, sagt er. Zuhause sprechen Kinder und Jugendliche mit Rücksicht auf ihre Eltern oft nicht von ihrer Angst, ihrer Trauer, ihrer Verzweiflung und ihrer Wut. Im Jugendhospiz aber ist dafür Raum. Im Gespräch mit ausgebildeten Trauerbegleitern oder Gleichaltrigen, die in ähnlicher Lage sind, können die vielen Fragen ausgesprochen werden: Warum gerade ich? Warum soll ich noch zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen? Warum werde ich nie einen Beruf und eine Familie haben?

Lücke in der Finanzierung

Wie das Kinderhospiz ist auch das Jugendhospiz auf Spenden angewiesen. Barth rechnet für beide Einrichtungen mit einem jährlichen Gesamtbedarf von 1,2 Millionen Euro. Nach geltendem Recht müssten lediglich fünf Prozent der Kosten vom Träger übernommen werden, sagt Barth und beklagt, das Land Nordrhein-Westfalen setze diese Vorgabe nicht um. Bis die »systembedingte Finanzierungslücke« geschlossen werden kann, setzt der Hospizleiter ergänzend zu Spenden auch auf Patenschaften für Hospizbewohner.

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