Kulturzentrum China
Schmalgliedrig
Welche Leichtigkeit Ren Rong seinem schwermetallenen Material abgewinnt, ist das Wundersame der Ausstellung im Chinesischen Kulturzentrum. Knapp drei Dutzend Arbeiten zeigt er bei seinem Debüt in Berlin. Dabei wohnt der aus Nanjing im Südosten Chinas stammende Künstler seit 1986 in Deutschland, wo er nach einer Ausbildung an der Kunstakademie seiner Stadt freie Malerei in Münster und Düsseldorf studierte. Zwischen Bonn und Beijing pendelt er, hat eine Gastprofessur in Hamburg. Unüberschaubar ist die Zahl seiner Einzelausstellungen seit 1995, vor allem in der Bundesrepublik, aber auch in Galerien von Taipei bis Vancouver. »Ren Rong in Berlin« offeriert mit fast besessener Fabulierfreude als Hauptmotiv Pflanzenmenschen.
Allein zehn dieser »Pflanzenmenschen« von 140 Zentimetern Höhe stehen zu beiden Seiten der Ausstellungshalle. Alle sind sie aus rostigem Eisen, rund einen Zentimeter dick und dennoch filigran wie ein Scherenschnitt. Stilisierte Wesen schwingen sich von einem ornamentalen Untergerüst empor, ranken und biegen sich wie Blumen. Haar fliegt im Wind der Bewegung, manche haben zwei Köpfe, Münder öffnen sich zum Gesang. Bei anderen entwachsen zwei Körper demselben stielartigen Rumpf, Arme runden sich in der Fläche, Vögel sitzen auf gespreizten Händen, Gestalten schweben wie Buddhas im Lotossitz.
Rons Werke erinnern an
reduzierte Scherenschnitte eines Henri Matisse
Rong schafft transparente Skulpturen, die zu tanzen scheinen. Zehn weitere »Pflanzenmenschen« von 170 Zentimetern Höhe und meist mit einer Zentralgestalt bilden einen begehbaren Kreis. Ein Vogel pickt keck auf einem Kopf, auf einem anderen wölbt sich fröhlich ein Fisch, einem Mund entsprießt eine Blüte. Wie menschliche Disteln schlängeln sich die Figuren, nur zwei sind kein Neutrum: Ein Busen im Profil und ein Blumenpenis machen sie zurechenbar.
Nach demselben Prinzip komponierte Rong zwei »Pflanzenmenschen« als hängende Holzreliefs von 170 x 100 Zentimetern – naturhelle Flachfiguren liegen in seiner faserigen Grobheit belassenem Holz auf. Der Kontrast der schmalgliedrigen, weithin leuchtenden Gestalten zur handdicken Auflage macht diese zwei Exponate zu den schönsten jener Ausstellung. Ein ähnliches, feiner grundiertes Relief zeigt Figur und Auflage in einheitlichem Orange mit schwarzlöchrigem Paneel darunter.
»Kompositionen« nennt Rong die größere Ausführung in Blau mit Tulpenköpfen, als hätte jugendstilhafte Beschwingtheit endgültig Einzug gehalten. »Positiv/Negativ« gewinnt dem Thema eine andere Version ab: Der Künstler spannt spiegelbildliche Doppelkopfwesen aus Holz, eines weiß, das andere rot gefärbt, vor die Tiefe schwarzer Kästen; Fotos von Chinesen respektive handgeschriebene Namen in Deutsch und Chinesisch illustrieren den Boden der Kästen, als blicke man in Fenster.
Neben Kleinplastiken wie der witzigen »Augenhand« und einer frei in der Halle stehenden Großplastik – Mann und Frau streben aus gemeinsamem baumartigem Leib auseinander – imponiert eine Serie von Acryl-Malereien auf Leinwand. Obgleich auch sie »nur« das Thema variieren, erinnern die drei »Augenkreise« in ihrer Gestaltung der Fläche an die reduzierten Scherenschnitte eines Henri Matisse. Hier sind es Hockende und tanzend Gebogene in feinem Orange auf schwarz gezacktem Fond, die im Zentrum einer beigefarbenen Leinwand residieren und, umgeben von gemalten Augen, perfekt die Fläche ausfüllen.
Bis 29.4., Chinesisches Kulturzentrum, www.c-k-b.eu
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