Frische Brise auf hoher See
Werften beim maritimen Weltkongress in London für harte Umweltnormen
Von allen modernen Verkehrsmitteln belastet die Seeschifffahrt unsere Umwelt am wenigsten, gemessen an den gefahrenen Tonnenkilometern. Man kann das aber auch anders sehen: Tag für Tag kreuzen 37 836 Riesenfrachter, Fischfangschiffe und Luxusliner über die Weltmeere und die meisten davon sind Dreckschleudern. Sie jagen Millionen Tonnen CO2 durch den Schornstein, im Ballastwasser schwimmen fremde Organismen und unverrottbarer Plastikmüll fällt von Bord.
Seit den siebziger Jahren versucht die Schifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen, IMO, Meer und Luft vor Umweltschmutz zu schützen. Ozeane und Meere bedecken drei Viertel der Erde und sind damit für das Weltklima von entscheidender Bedeutung. Inzwischen sieht sich die IMO auf gutem Kurs: Die jüngste Tagung des Umweltkomitees »brachte Fortschritte«, versichert ein Sprecher in London.
Seit Jahresanfang dürfen Schiffsabgase in allen EU-Häfen nur noch 0,1 Prozent Schwefel enthalten. Das ist technisch leicht machbar, weil Schiffe statt mit dreckigem Schweröl auch mit hochwertigen, jedoch teureren Kraftstoffen betrieben werden können. Ab Juli wird in den »Emissionsüberwachungsgebieten« Nord- und Ostsee nur noch Schweröl mit 1,0 Prozent Schwefelgehalt gestattet (bisher 1,5 Prozent). Ähnliche Sonderzonen werden 2011 vor der nordamerikanischen Küste und in der Arktis eingeführt.
Einigen Nichtregierungsorganisationen ist das zu wenig. So kritisiert der WWF fehlende Abwasserregelungen. Auch in Zukunft werde die Ostsee durch jährlich 100 Millionen Klospülungen an Bord überdüngt. Auch die EU-Kommission hält die globalen IMO-Normen für »schlicht unzureichend«. Angesichts des weltweit rasant wachsenden Seeverkehrs würde die Luftverschmutzung nicht verringert, sondern nur die Zunahme gebremst. Selbst im wirtschaftlichen Krisenjahr 2009 wurde nämlich im Weltschiffbau mit 3477 abgelieferten Schiffen ein neuer Rekord aufgestellt. Mangels Straßen und Schienen wird die »blaue Autobahn« für ökonomisch aufstrebende Länder wie China, Nigeria oder Brasilien immer wichtiger.
Dadurch steckt die IMO, der 167 Länder angehören, in einer Zwickmühle zwischen Industriestaaten sowie Schwellen- und Entwicklungsländern. Für Schiffstreibstoffe gilt die Faustformel »je dreckiger, desto billiger«, und so kreuzen folgerichtig die ärgsten Umweltsünder vor den Küsten Asiens, Afrikas und Südamerikas. Doch die Entwicklungsländer wollen nicht die ökologische Zeche für die reichen Industriestaaten zahlen. Und die Europäische Union kündigte einen Alleingang an, wenn die IMO nicht bald eine Lösung gegen die Luftverschmutzung präsentiert.
Auch innerhalb der Interessenverbände in den Industriestaaten prallen die Vorstellungen aufeinander. So spielt die Werftindustrie den grünen Ritter. Sie erhofft sich durch scharfe Umweltauflagen, Treibstoffabgaben und Emissionszertifikate Aufträge für umweltfreundlichere Hochtechnologieschiffe. Dagegen mauern Häfen und Reeder in der IMO. Teure Umweltauflagen könnten zu einer weiteren Verlagerung auf die Straße führen, befürchten sie. Schon heute werden im europäischen Ost-West-Verkehr 90 Prozent der Güter auf der billigeren Straße transportiert. Auf der kommenden Umweltkonferenz der IMO im September soll der entscheidende Durchbruch bei den Luftschadstoffen erfolgen.
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