Blockade – wie ein falsch geparktes Auto
Protestbündnis bereitet sich auf Widerstand gegen die Nazi-Demonstration am 1. Mai vor
Prenzlauer Berg droht in diesem Jahr ein konfliktreicher 1. Mai: Neonazis wollen zu Tausenden durch den Kiez marschieren. Wo die Route entlangführt, sei noch unklar, verkündete Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vor dem Wochenende. Das werde zeitnah entschieden, meinte ein Polizeisprecher am Samstag. Sicher scheint nur, Treffpunkt der von der NPD angemeldeten Demonstration ist der S-Bahnhof Bornholmer Straße. Protestler rollen indes die Stadtpläne aus und überlegen sich Strategien, wie sie diesen rechten Marsch behindern können.
Kim Böhmer, Sprecher des Bündnisses »1. Mai nazifrei«, rechnet mit einer »unübersichtlichen Situation«; linke Gruppen haben insgesamt über 30 Kundgebungen angemeldet. Die Jusos versammeln sich an der Ecke Prenzlauer Allee, Wisbyer Straße; eine Straßenkreuzung weiter, an der Greifswalder Straße, plant die LINKE eine Ansprache. Einiges deutet also darauf hin, dass die Neonazis über die Schönhauser Allee Richtung Mitte ziehen. Das Bündnis »1. Mai nazifrei« zeigt sich für massive Proteste gewappnet und trainierte am Samstag Straßenblockaden auf dem Bebelplatz.
Hier, gegenüber der Humboldt-Universität, nahmen am 10. Mai 1933 die Bücherverbrennungen der Nazis ihren Ausgang. Zuletzt wurde dieser geschichtsträchtige Ort für die Modemesse »Fashion Week« genutzt. Ein öffentliches Üben gegen einen Naziaufmarsch stehe dem Platz besser, meinen die Blockierer. Bei ihrem Training ließen sie sich nicht von einer rechten Vorhut provozieren, die mit einigem Abstand die Szenerie beobachtete.
»Wir wollen die Löcher in der Polizeikette nutzen und uns den Nazis entgegenstellen«, rief ein Redner durchs Megaphon. Er klärte die Probe-Protestler darüber auf, dass eine Sitzblockade keine Straftat sei, sondern »wie ein falsch geparktes Auto« eine Ordnungswidrigkeit. Für das Bündnis ein probates Mittel, um zivilen Ungehorsam zu demonstrieren.
Der Aufruf zu friedlichen Straßenblockaden findet auch unter Prominenten großen Zuspruch. Neben Oskar Lafontaine und Gregor Gysi von der LINKEN unterstützen auch Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky oder der Musiker Bela B. von den Ärzten die Proteste. Auch Innensenator Körting (SPD) begrüßt es als Bürger, wenn Menschen ihren Unmut gegen verfassungsfeindliche Kräfte zum Ausdruck brächten. Als Senator rufe er allerdings nicht zu Gegenaktionen auf. Wohl aber stellt sich Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) aktiv der Nazi-Demonstration entgegen.
Nach der erfolgreichen Behinderung eines rechten Gedenkmarsches im Februar in Dresden, rechnet Bündnissprecher Kim Böhmer damit, dass die Nazis auf eine Revanche drängen: »Die Szene braucht ein Erfolgserlebnis.« Ein solches wäre ein Marsch durch Prenzlauer Berg. Böhmer schätzt das rechte Gewaltpotential sehr hoch ein. Militante Neonazis aus Belgien und den Niederlanden hätten sich angekündigt, im Internet brüste sich die Berliner Szene mit ihren Vorbereitungen: In einem Waldstück bei Berlin sollen sie Wehrsportübungen durchgeführt haben. Dabei seien Taktiken für die Demonstration trainiert worden.
Weil die Polizei am 1. Mai ohnehin an der Grenze ihrer Kapazität sei, hofft Böhmer darauf, dass die Einsatzkräfte die Route des Neonazi-Aufmarschs kurz halten.
Nächstes Bündnis-Vorbereitungstreffen: 28.4., 19 Uhr, ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1.
Infos: www.1-mai-nazifrei.tk
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