Autohersteller sparen am Fußgängerschutz
Innovative Sicherheitssysteme könnten Zahl tödlicher Unfälle deutlich reduzieren
In Crash-Tests der Verbraucherschutzorganisation Euro NCAP schneiden neue Pkw-Modelle beim Fußgängerschutz fast immer schlechter ab als bei den Kategorien Insassen- oder Kinderschutz. Beim letzten Test erreichte von fünf Modellen der Toyota Verso 69 von möglichen 100 Punkten. Die anderen Wagen dümpelten bei 55 Prozent herum. Am schlechtesten präsentierte sich der Seat Exeo mit 50 Punkten.
Dabei gibt es inzwischen einige innovative Sicherheitssysteme für Autos, welche Fußgänger besser vor schweren Verletzungen schützen können. Die Hersteller bauen diese nur zu selten in die Autos ein – aus finanziellen Gründen.
Auf dem Genfer Automobilsalon präsentierte Volvo kürzlich in der Limousine S 60 ein neuartiges »Kollisions-Warnsystem für Fußgänger«. Bei diesem wertet die Bordelektronik ständig Daten von Radar und Kameras am Wagen aus. Gerät ein Fußgänger ins Sichtfeld, berechnet das System anhand von Bewegung und Silhouette seine Laufrichtung. Droht eine Kollision, schlägt das System Alarm. Reagiert der Fahrer nicht, löst es automatisch die Vollbremsung aus.
»Solche vorausschauenden Systeme können sehr viele Verletzungen verhindern«, meint ADAC-Crash-Experte Volker Sandner. Uwe Ewert von der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung geht davon aus, dass die neue Technik »den effektivsten Fußgängerschutz bietet, da sie Unfälle vermeidet«. Bei Autounfällen mit Tempo 50 haben Fußgänger je nach Alter nur eine 30- bis 60-prozentige Überlebenschance.
Studien zufolge bremste bei Auffahrunfällen jeder dritte Autofahrer gar nicht und jeder zweite zu schwach. Hier könnte nun ein Notbremsassistent einspringen: Tritt der Fahrer ruckartig auf die Bremse, schließt das System auf eine Notsituation und erhöht blitzschnell den Bremsdruck. Dies hilft, die Kollision zu verhindern.
Komplexere Systeme überwachen mit Kameras und Radar den Raum vor dem Auto. Die Unfallforscher der deutschen Versicherer rechnen, dass automatische Notbremssysteme bis zu 12 Prozent der schweren Pkw-Unfälle verhindern könnten. Bisher baut nur VW ein solches System in Wagen der Kompaktklasse, den Golf VI, ein. Sonst sind nur wenige, eher teure Modelle von BMW, Mercedes, Volvo oder Lexus damit ausgestattet.
Auch bessere Beleuchtung könnte helfen. Noch sind Halogen-Scheinwerfer am Auto Standard. Laut Sicherheitsexperten werfen Xenon-Leuchten bei Nacht zwei bis drei Mal mehr Licht auf die Straße, verlängern die Lichtbündel um 50 Prozent und leuchten die Seiten besser aus. Laut dem TÜV Rheinland ließe sich die Zahl tödlicher Unfälle um 18 Prozent reduzieren, hätten alle Autos Xenon-Licht. Bei Simulationen an der Medizinischen Hochschule Hannover erkannte ein mit Xenon-Licht fahrender Fahrer zwei überraschend auf die Straße laufende Kinder zehn Meter früher als bei Halogen-Beleuchtung. Die Hersteller rüsten Grundmodelle aber meist nicht mit Xenon aus. Das Nachrüsten kostet schnell 1000 Euro und mehr.
Das geringe Interesse der Hersteller an mehr Passantensicherheit hat laut ADAC-Experte Sandner einen Hauptgrund: Fußgängerschutz lasse sich nur schwer vermarkten. »Investitionen gehen daher von der Marge der Hersteller ab.« Zieht die Nachfrage nicht an, bleibt der Preis der neuen Techniken hoch und für Autofabrikanten unattraktiv.
Daran kann nur öffentlicher Druck etwas ändern: Eine seit Oktober 2005 gültige EU-Verordnung führte dazu, dass Personenwagen heute Knautschzonen für Bein- und Kopfaufprall haben. Ab Februar 2011 müssen in der EU alle bis zu 2,5 Tonnen schweren Neufahrzeuge mit Bremsassistenz-Systemen ausgestattet sein, ab 2015 auch schwerere Autos. Die EU hofft so, jährlich bis zu 1100 tödliche Unfälle mit Fußgängern zu vermeiden.
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