Schach-WM: Das erste Unentschieden
In der dritten Partie trennen sich Anand und Topalow remis / Es steht 1,5:1,5 Punkte
Der größte bulgarische Internetwettanbieter bet-at-home.com befand sich gestern vor dem ersten Zug um 15 Uhr mit seinen Quoten auf einer Linie mit etlichen Großmeistern. Sie beobachten hier in Sofia das Duell um die Weltschachkrone ganz privat oder auch als Journalisten. Mit Abstand das wenigste Geld (1:1,50 Lewa) gab es für ein Remis. Das war für die dritte der zwölf Partien in den letzten 48 Stunden allgemein herbeigeredet und -geschrieben worden.
Titelverteidiger Viswanathan Anand aus Indien und der bulgarische Herausforderer Wesselin Topalow hatten gestern beim Stand von 1:1 allerdings eher vor, diese Prognose zu widerlegen: Jeder wollte einen vollen Punkt. »Zumindest wird keiner von beiden ein Remis anbieten«, prognostizierte Anands Teamchef Hans-Walter Schmitt gegenüber ND.
Mit Schwarz vermied Anand diesmal Gründfeld-Indisch, das ihn im ersten Spiel ins Desaster gerissen hatte, und wählte die slawische Verteidigung des Damengambits. Beim zehnten Zug wurden die Damen getauscht. Nach dreieinhalb Stunden hatte Weiß Raumvorteile, aber Schwarz eine solide Verteidigungsposition. Die Computer sahen nur winzige Unterschiede.
Worauf sollte man also etwas geben? Topalows Arzt, Dr. Naiden Kandilarow, hatte seinen Schützling dieser Tage ND gegenüber »in ganz hervorragender Verfassung« bezeichnet. Doch auch diese Prognose sagt schachmäßig wenig, denn Kandilarow schränkte ein, dass er »zwar Arzt, aber nur ein lausiger Spieler« sei. Nach dem 46. Zug hatte gestern der Hauptschiedsrichter ein Einsehen und forderte beide zum Remis auf.
Millionen Schachfreunde in aller Welt verfolgten auch die gestrige Partie wieder live auf den einschlägigen Internetseiten, wie zum Beispiel www.anand-topalov.com. Mit der weltgrößten Seite chessbase.com liegen die hiesigen Organisatoren scharf über Kreuz. Sie übernehme laut Topalows Manager Silwio Danailow unrechtmäßig den Livestream. »Die entsprechenden Rechte kosten bei uns 30 000 Euro. Wir haben über unseren Berliner Anwalt einen Brief an die Hamburger Firma mit einer Abmahnung schicken lassen.«
Die bulgarische Tageszeitung »Standart« wusste gestern bereits, dass bei einem weiteren Verstoß ein »Gang vor Gericht unausbleiblich« wäre. Laut Topalow gehe es natürlich um Geld, aber auch ums Prinzip. »Ohne unsere Erlaubnis darf niemand unsere Leistung kommerziell nutzen.«
Etwas weitreichendere Schachpolitik gibt es am Rande dieser WM übrigens wieder ab Sonntag. Da hat sich in Sofia Ex-Weltmeister Anatoli Karpow zum Besuch angesagt. Und zwar zu einer zweitägigen Lobbyrunde, denn Karpow will im Herbst 2010 für den Posten des Präsidenten des Weltschachbundes (FIDE) kandidieren. Vorerst scheint der russische Verband zwar weiter zum bisherigen Amtsträger Kirsan Iljumschinow zu stehen. Doch Karpow hat sich in dieser Sache inzwischen sogar mit seinem langjährigen polemischen Gegner Garri Kasparow versöhnt. Sicher findet er im momentanen Sofioter WM-Umfeld noch andere wichtige Fürsprecher.
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