Kaczynskis letzter Ritt für Polens IV. Republik

Jaroslaw will Bruder Lechs Mission als Präsident vollenden

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Es stand von vornherein fest: Der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski,

Zwillingsbruder des am 10. April bei Smolensk tödlich verunglückten Staatsoberhaupts Lech Kaczynski, meldete am Montag, kurz vor Ablauf der gesetzlichen Frist, seine Kandidatur für die vorgezogene Präsidentschaftswahl am 20. Juni an.

Nicht unerwartet war auch die Begründung, die Jaroslaw Kaczynski seiner Bewerbung nachschickte: »Alle, die das Werk der Opfer der Tragödie von Smolensk fortzuführen entschlossen sind, die wollen, dass ... rechtschaffene Polen und das aufrechte Polen für immer ihre Häupter erheben, rufe ich zum gemeinsamen Wirken auf. Schließen wir unsere Reihen im Interesse Polens. Polen ist das Allerwichtigste.« Pathetisch setzte Kaczynski seine Erklärung fort: »Wir stehen in der Pflicht, das (von den Opfern hinterlassene) Testament zu erfüllen. Wir sind dies unserem Vaterland schuldig.«

Der kurze Wahlkampf vor dem 20. Juni ist eröffnet. Er sollte, wie in der Zeit der Trauer über die 96 Opfer der Smolensker Flugzeugkatastrophe mehrfach beteuert, edel und ruhig, würdig und sachlich geführt werden. Ob Jaroslaw Kaczynski dies auch so haben möchte, bleibt fraglich. Realistisch ist ein so erträumter Wahlkampf kaum. Stellvertretend für die kandidierenden Parteimatadoren heizen die Medien, die mehrheitlich auf Seiten der PiS stehen, die politische Atmosphäre an. In der Tageszeitung »Rzeczpospolita« sagte Rafal A. Ziemkiewicz voraus, die regierende Bürgerplattform (PO) werden einen »Wahlkampf der Verachtung und der Angst« führen: »Je besser die Siegesaussichten für den Kandidaten der PiS ausfallen und je realistischer die Perspektive einer IV. Republik erscheint, desto deutlicher werden die Verachtung der PO für die Polen und die Angst vor ihnen wachsen.« Mit dem öffentlichen Fernsehen TVN, der »Rzeczpospolita«, »Polska – The Times«, »Nasz Dziennik« und weiteren Presseorganen hat sich eine eigenartige »Kampfgruppe« zusammengefunden. Sie schürt tagtäglich Misstrauen gegen die russische Untersuchung in Sachen der Smolensker Flugzeugkatastrophe und erhebt gegen die PO zwei schwere Vorwürfe: Die Regierungspartei sei zu moskauhörig und sie habe die absolute Macht in Polen im Visier. Ihr Kandidat für das Präsidentenamt, Sejmmarschall Bronislaw Komorowski, der gegenwärtig kommissarisch als Staatsoberhaupt fungiert, missbrauche schon in der ersten Phase des Ringens um die Präsidentschaft seine Position zum eigenen Nutzen, wird behauptet.

Michal Ogorek glossierte in der »Gazeta Wyborcza«, Polen brauche schleunigst einen Psychoanalytiker. Denn »binnen einer Woche sind aus jenen, die bisher als der schlechteste Teil der Gesellschaft galten, Polens beste Söhne geworden«. Komorowski selbst parierte die Anwürfe des PiS-Lagers kurz: »Absolute Macht« habe es in Polen zu jener Zeit gegeben, als Lech Ka-czynski Präsident und sein Bruder Jaroslaw

Diese Zeiten, als die Kaczynskis im Duett für die von ihnen angestrebte »IV. Republik« arbeiteten, sind indes vorbei. Für Jaroslaw bedeute der Wahlkampf »die letzte Chance der IV. Republik«, meinte ein Kommentator in TVN24. Ka-czynski gegen Komorowski, PiS kontra PO, die III. Republik im Abwehrkampf gegen die IV. – das ist die Konstellation in diesem Kampf um die Präsidentschaft. Lechs »linker« Wirtschaftsberater Ryszard Bugaj beschwor wieder einmal eine Auseinandersetzung zwischen Transformationsgeschädigten und den Profiteuren des Kapitalismus. Doch das vertraute Muster will nicht ziehen. Die Kompassnadel der Umfragen deutet bisher auf den Kandidaten der Liberalen.

Und die Linke? Das ist leider zur Zeit ein Nebenthema. Das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) schickt nach dem Tod seines Kandidaten Jerzy Szmajdzinski, der in der gleichen Maschine wie Lech Kaczynski saß, seinen Vorsitzenden Grzegorz Napieralski ins Präsidentschaftsrennen. Der 36-Jährige verweist darauf, dass er als einziger der Bewerber das junge Polen verkörpere. Doch werden ihm genauso wenig Chancen eingeräumt wie dem ehemaligen Regierungschef Waldemar Pawlak, der für die Bauernpartei PSL antritt.

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