Überlegen, aber nicht zu retten
1:1 in Leverkusen: Hertha BSC muss in die zweite Liga
Als Schiedsrichter Peter Sippel am Sonnabend um 17.19 Uhr das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Hertha BSC abpfiff, brach für die Berliner eine Welt zusammen. Angesichts des nun realen fünften Abstieges aus der Fußball-Bundesliga ließen sich fast alle Gästekicker auf den Rasen fallen.
Auf den Rängen vergossen viele der 3000 Hertha-Fans nach dem 1:1-Unentschieden Tränen. Die Anhänger wollten im Moment ihrer größten Trauer seit Jahren allein sein. Angesichts der Pfiffe und unmissverständlichen Gesten aus dem Gästeblock, kam das Hertha-Team lieber nicht an den Zaun. Gefeiert wurde nur Schlussmann Jaroslav Drobny.
Bis in die Nachspielzeit hatte jener Funke der Berliner Hoffnung geglüht, mit einem Dreier doch noch die Chance auf ein allerletztes Endspiel gegen den Meister aus München zu bekommen. Die Hauptstädter spielten so überlegen, dass die überforderten Leverkusener bis zur 46. Minute schon ihr dreifaches Wechselrecht ausgeschöpft hatten.
Einziges Manko der Berliner war erneut die katastrophale Chancenverwertung: Zwar gelang Raffael mit einer Direktabnahme nach einer schönen Kombination über Cicero und Theofanis Gekas die rasche 1:0-Führung (12.). Doch Gekas (5./Pfosten), Adrian Ramos (20.) und Cicero (32.) blieben weitere mögliche Treffer verwehrt.
«Ich habe noch nie eine Mannschaft so Fußball spielen sehen, die absteigt. Das zeigt auch die Handschrift des Trainers, die Spieler immer wieder einzustellen und zu motivieren«, lobte Bayer-Trainer Jupp Heynckes die niemals aufgebenden Herthaner und stärkte dem Trainerkollegen Friedhelm Funkel den Rücken für eine Weiterbeschäftigung in Berlin.
Funkel musste nach dem Seitenwechsel jedoch feststellen, dass die Partie offener wurde. Nachdem es in den ersten 45 Minuten für die Bayer-Elf nur wenige Gelegenheiten durch Eren Derdiyok (35., 37.) und den vor der Partie wegen seiner bevorstehenden Rückkehr zum FC Bayern München verabschieden Toni Kroos (44.) gegeben hatte, machte Leverkusen jetzt Druck. Patrick Helmes (57., 79.), Kroos (74.) und Manuel Friedrich (79./Latte) scheiterten am bärenstarken Hertha-Keeper Jaroslav Drobny und sich selbst. Doch der 1:1-Ausgleichstreffer (59.) durch Manuel Friedrich nach einem Eckstoß von Michal Kadlec traf Hertha ins Mark.
Beim für die Gäste »tödlichen« Remis blieb es, weil Gekas (48., 53., 90./+2), Gojko Kacar (53./M. Friedrich auf der Linie) und Lukasz Piszczek (86.) teilweise kläglich scheiterten.
»Das Spiel war ein Sinnbild der gesamten Rückrunde. Wenn ich die 92. Minute sehe, in der wir das Spiel noch hätten entscheiden können, ist das das berühmte i-Tüpfelchen. Worauf weiß ich auch nicht«, sagte Friedhelm Funkel. Zu seiner persönlichen Zukunft machte er noch keine Angaben.
»Wir werden natürlich in den nächsten Tagen und Wochen Gespräche führen, und die Saison analysieren. Dann muss es uns gelingen, eine gute Truppe auf die Beine zu stellen«, sagte Manager Michael Preetz. Der Abgang etlicher »Leistungsträger« scheint aber nur eine Frage der Zeit zu sein.
Hertha steht vorm Ausverkauf
Viele Profis wollen nicht in die 2. Liga. Der Verien, mit mehr als 33 Millionen Euro verschuldet, benötigt Transfereinnahmen und will Personalkosten von 40 auf 14 Millionen Euro senken. Das Tafelsilber:
Jaroslav Drobny: Der Vertrag des Top-Torhüters läuft aus. Mögliche Interessenten: VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, Red Bull Salzburg.
Arne Friedrich: Der Kapitän wird wechseln. Der Hamburger SV gilt als erster Kandidat, aber auch Wolfsburg will ihn angeblich.
Raffael: Köln und Leverkusen werben um ihn.
Gojko Kacar: Könnte ein paar Millionen einspielen. Der HSV hat ihn wohl im Visier, Gerüchte gibt es auch um Wolfsburg und Schalke.
Adrian Ramos: Will weg. Stuttgart und Mönchengladbach sind dran.
Fabian Lustenberger: Hertha will ihn halten.
Patrick Ebert: Abschied möglich. Hoffenheim lockt angeblich.
Cicero, Theofanis Gekas, Florian Kringe, Roman Hubnik waren nur ausgeliehen. Sie noch länger zu verpflichten, fehlt das Geld.
Timo Ochs, Steve von Bergen, Pal Dardai, Lewan Kobiaschwili, Lukasz Piszczek, Nemanja Pejcinovic ohne Vertrag für die 2. Liga. Zukunft offen.
Dagegen haben folgende Spieler einen Vertrag fürs Liga-Unterhaus: Sascha Burchert, Christoph Janker, Marc Stein, Artur Wichniarek, Rasmus Bengtsson, Maximilian Nicu, Sascha Bigalke, Valeri Domowtschiski, Lennart Hartmann, Shervin Radjabali-Fardi, Fanol Perdedaj.
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