Wiesbaden macht es Nazis leicht
Dezernentin gab Stadtteil für Aufmarsch frei
Politische Naivität oder Absicht? Die Wiesbadener Ordnungsdezernentin Birgit Zeimetz (CDU) hat hinter dem Rücken der Öffentlichkeit mit Neonazis über Ort und Zeitpunkt eines Aufmarsches der NPD-Jugendorganisation (Junge Nationaldemokraten) am 8. Mai verhandelt. Wie Vertreter eines antifaschistischen Bündnisses aus Parteien, Kirchen und Gewerkschaften kritisieren, habe die Dezernentin ohne Not den Stadtteil Erbenheim für die Neonazi-Szene freigegeben. Gleichzeitig habe die CDU-Frau der Öffentlichkeit bewusst vorgegaukelt, dass sie die Demonstration verboten habe. Offensichtlich komme es ihr hauptsächlich darauf an, das braune Treiben von der Innenstadt fern zu halten. Damit schaffe sie aber auf Kosten der Erbenheimer Bevölkerung breiten Raum für den braunen Spuk.
Zudem habe Zeimetz der Neonazi-Szene wertvolle Zeit gegeben, um ihre Kräfte gut drei Wochen lang auf eine legale Demonstration hin zu mobilisieren, betonten Wiesbadener Antifaschisten bei einem Pressegespräch am Montag. Dies gebe den Nazis unendlich mehr Planungs- und Organisationssicherheit als das sonst übliche Prozedere von Demonstrationsverboten, Gerichtsverfahren und Urteilen wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn. Die JN habe Wiesbaden als Ort ihrer Demonstration »gegen Folterknechte und Kriegstreiberei« gewählt, weil im Stadtteil Erbenheim derzeit die künftige Europazentrale der US-Armee eingerichtet wird. Daher dürften sich die Veranstalter über die freiwillige Zusage von Zeimetz, nun direkt in Erbenheim zu demonstrieren, gefreut haben.
Der Wiesbadener Mediziner Michael Wilk zeigte sich »vergrätzt« darüber, dass die Stadtverwaltung zur Verhinderung der Nazi-Demonstration nicht einmal alle rechtlichen Mittel voll ausgeschöpft und ein Demonstrationsverbot erlassen habe, so wie dies in letzter Zeit viele andere Städte getan hätten. Ähnlich sieht das auch der SPD-Landtagsabgeordnete Ernst-Ewald Roth, der den »vorauseilenden Gehorsam« der Stadtspitze kritisiert und von den Behörden mehr Kooperation mit den Nazi-Gegnern erwartet hätte: »Wir wollen, dass die Nazis keinen öffentlichen Raum haben, schon gar nicht am 8. Mai«, bekräftigte Roth.
»Viele aktive Gewerkschafter aus der gesamten Rhein-Main-Region werden am 8. Mai in Erbenheim dabei sein«, kündigte DGB-Regionsvorsitzender Harald Fiedler an. Die Vertreter des Bündnisses machten am Montag noch einmal deutlich, dass man sich den Nazis in Erbenheim stellen werde. Das Bündnis gegen den Naziaufmarsch hat eine von Freitag Nachmittag bis Samstag um 22 Uhr dauernde Mahnwache mit Gang durch Erbenheim angemeldet. Beginn der Gegenaktionen in der Erbenheimer Ortsmitte ist am Samstag um 8 Uhr. Eine mehrstündige Kundgebung ist für 9 Uhr angesetzt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.