... aber keine »Kuschelapotheke«

Unternehmer bemühen sich um familienfreundliche Bedingungen

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Neun Teilzeitkräfte statt fünf Vollzeitkräften – das ist in der Pankower Eulenapotheke bereits seit 2003 »familienfreundliche Realität«. Die Angestellten arbeiten zwischen fünf und 35 Stunden, kümmern sich um ihre Kinder oder pflegen ihre älteren Angehörigen.

Zehn familienfreundliche Bündnisse sind bei der Berliner Initiative Lokale Bündnisse für Familie in Berlin gemeldet. In den Bündnissen vernetzen sich Behörden, Kirchen, Schulen und Unternehmen und »versuchen gemeinsam, etwas auf die Beine zu stellen«, erklärt Nina Dombrowsky vom Servicebüro der Lokalen Bündnisse. Dem Berliner Dachverband gehören zehn Unternehmen an, darunter beispielsweise die Allianz AG. Meist sind die Unternehmen allerdings kleiner.

In der Eulenapotheke werden Aufgabenbereiche doppelt vergeben, je zwei Mitarbeiter bilden ein »Funktionsteam« und wechseln sich ab. Es sei vor allem eine kommunikative Herausforderung, erklärt der Inhaber Bernd Stange. »Die Mitarbeiter sprechen sich selbst ab. Das funktioniert gut.« Alle hätten einen Grund, Teilzeit zu arbeiten, erklärt er. Wahrscheinlich haben sie deshalb viel Verständnis füreinander. »Wir sind keine Kuschelapotheke, sondern durchaus leistungsorientiert«, fügt er aber hinzu.

Familienfreundlichkeit hat eindeutig eine ökonomische Dimension. »Es gibt zunehmenden Fachkräftebedarf, und diese Fachkräfte haben Kinder und achten darauf, wie Unternehmen das berücksichtigen«, erklärt Sofie Geisel, Projektleiterin des Netzwerkbüros »Erfolgsfaktor Familie«. Inzwischen erkenne man immerhin, dass Kinderlosigkeit auch mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammenhängt. Das Netzwerk arbeitet daran, Unternehmen dafür zu sensibilisieren, wie Beruf und Familie zu vereinbaren sind. 2500 Betriebe beteiligen sich mittlerweile an dem Projekt.

Sascha Hilliger, General-Manager des Myer's Hotel in Prenzlauer Berg, ist der Meinung, dass Betriebe eine soziale Verantwortung hätten und Familienfreundlichkeit eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Allerdings könnten sie diesen Anspruch nur in Ansätzen verwirklichen: »Wir versuchen schon, Rücksicht auf Familien zu nehmen.« Auf Absprache würden Mitarbeiter freigestellt und Ersatz gesucht, wenn zum Beispiel eine Mitarbeiterin ihr Kind von der Schule abholen müsse. Zu viele Wünsche auf einmal ließen sich aber nur schwer erfüllen. Hilliger bedauert, dass das Hotel keine Räumlichkeiten zu Verfügung stellen kann, wo Mütter ihre Kinder unterbringen können. Das sei vielleicht eher in einem größeren Betrieb möglich.

Die Eulenapotheke wurde 2003 vom Pankower Bezirksamt als erster Familienfreundlicher Betrieb ausgezeichnet. Ihr Vorgehen hat sich bewährt. »Die Fluktuation und der Krankenstand unserer Mitarbeiter sind niedrig. Außerdem überträgt sich das positive Betriebsklima auf die Kunden.«

Aus Sicht Stanges lohnt es sich, auch Berufswiedereinsteiger zu beschäftigen. Eine seiner Angestellten galt als schwer vermittelbar, da sie 20 Jahre aus dem Beruf ausgestiegen war. Mit 45 Jahren begann sie in der Apotheke zu arbeiten. »Sie hat sich hervorragend eingearbeitet, ist fleißig, motiviert und wissbegierig.«

Stange hält das Anforderungsprofil vieler Arbeitgeber für zu rigide und bemängelt, dass Schwangerschaft meist als Risiko empfunden wird. Natürlich sei Schwangerschaft eine Belastung. Aber würden alle zusammenhalten, könne man das gemeinsam schaffen. »Die Kräfte kommen wieder zurück, wenn die Menschen zurückkehren.«

Infos unter: www.lokale-buendnisse-fuer-familie.de oder www.erfolgsfaktor-familie.de

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