Schachkrone bleibt in Indien
Anand verteidigt seinen WM-Titel in Sofia mit 6,5:5,5 Punkten
Viswanathan Anand hat in Sofia seinen WM-Titel im Schach verteidigt. Er hatte die dramatische 12. Partie gegen den Bulgaren Wesselin Topalow gewonnen und das Duell mit 6,5:5,5 beendet. Der Herausforderer war erster Gratulant. Im Finalspiel nutzte Anand einen fatalen Fehler des Gegners zum tödlichen Angriff. Anand sagte: »Ich bin um einige Jahre gealtert, es war das härteste Match in meiner ganzen Karriere. Topalow ist ein großer Spieler.« Der erwiderte: »Ich habe alles riskiert, weil ich abergläubisch bin und keinen Tiebreak am 13. Mai spielen wollte.«
In Anands Heimat Indien wurde der vierte WM-Sieg des Nationalhelden gefeiert. Eine Zeitung titelte: »Black magic in Sofia«, weil er die entscheidende Partie mit Schwarz gewann. Es war der einzige Schwarz-Sieg im gesamten Match. Mit dem erneuten Titelgewinn ist nach 2007 in Mexiko und 2008 in Bonn ein lupenreiner Hattrick geglückt. Zuvor hatte er die Schachkrone 2000 in Delhi in einem Knockout-Turnier erobert.
ND-Experte Artur Jussupow bilanzierte einen unglaublich spannenden WM-Kampf. »Topalows unfassbarer Fehler im letzten Spiel kostete ihn den Titel. Er hat das Risiko übertrieben und sich selbst umgebracht. Den Zug 31.exf5 spielte er zu hastig, anstatt die ruhige Fortsetzung 31.Sd2 fxe4 32.Sxe4 zu wählen. Nach 32.fxe4 Dxe4+ kam er völlig unter die Räder«, so der Großmeister. »Anands Sieg freut mich deshalb besonders, weil ich früher WM-Sekundant von ihm war. Und ich mag die kluge Art, wie er Schach spielt. Obwohl Anand nicht die große Form hatte wie bei der WM vor zwei Jahren in Bonn gegen Kramnik, verteidigte er seinen Titel. Das war nach dem engen Matchverlauf nicht so leicht.«
Der Respekt Jussupows gilt auch dem unterlegenen Spieler. »Durch Topalows unbändigen Kampfgeist wurde das Duell zu einem ganz großen Fight. Ihm fehlt allerdings noch ein Quäntchen zum Champion, die Klasse von Anand oder Kramnik hat er bisher nicht ganz erreicht.« Topalow sollte aber jetzt den Kopf nicht hängen lassen, das Leben geht weiter, meint er. Es gebe Schlimmeres als eine WM-Niederlage. Vor genau zwanzig Jahren, im Mai 1990, hat Artur Jussupow in Moskau einen Raubüberfall schwer verletzt überlebt. »Damals beschloss ich, nach Deutschland zu gehen. Mein Leben begann hier praktisch neu, ich habe diesen Schritt nie bereut.«
Notation der 12. Partie
Topalow (Bulgarien) – Anand (Indien) Damengambit: 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 Le7 5.Lg5 h6 6.Lh4 0-0 7.e3 Se4 8.Lxe7 Dxe7 9.Tc1 c6 10.Le2 Sxc3 11.Txc3 dxc4 12.Lxc4 Sd7 13.0-0 b6 14.Ld3 c5 15.Le4 Tb8 16.Dc2 Sf6 17.dxc5 Sxe4 18.Dxe4 bxc5 19.Dc2 Lb7 20.Sd2 Tfd8 21.f3 La6 22.Tf2 Td7 23.g3 Tbd8 24.Kg2 Ld3 25.Dc1 La6 26.Ta3 Lb7 27.Sb3 Tc7 28.Sa5 La8 29.Sc4 e5 30.e4 f5 31.exf5 e4 32.fxe4 Dxe4+ 33.Kh3 Td4 34.Se3 De8 35.g4 h5 36.Kh4 g5+ 37.fxg6 Dxg6 38.Df1 Txg4+ 39.Kh3 Te7 40.Tf8+ Kg7 41.Sf5+ Kh7 42.Tg3 Txg3+ 43.hxg3 Dg4+ 44.Kh2 Te2+ 45.Kg1 Tg2+ 46.Dxg2 Lxg2 47.Kxg2 De2+ 48.Kh3 c4 49.a4 a5 50.Tf6 Kg8 51.Sh6+ Kg7 52.Tb6 De4 53.Kh2 Kh7 54.Td6 De5 55.Sf7 Dxb2+ 56.Kh3 Dg7 0-1 Endstand: 6,5:5,5.
Bulgarische Pressestimmen:
Die Sporttageszeitung »Sedem dni sport« titelt: »Anand trickste Topalow aus« und anerkennt, dass »der alte und neue Titelträger mit Schwarz virtuos die Schwächen im weißen Lager zum Sieg nutzte«. Im »Dnewnik« sieht Topalows Manger Danailow die Ursachen für die Niederlage so: »Beide sind auf Augenhöhe. Anand hat nicht gesiegt, weil er besser ist, sondern weil Wesko Fehler gemacht hat. Die nutzte der Weltmeister kaltblütig – und gewann deshalb verdient.« »Topalow verpasste Titel wegen eigener Fehler«, so die Schlagzeile der auflagenstärksten »Trud«. Der Herausforderer habe, weil er gegen den ihm im Schnellschach wohl leicht überlegenen Weltmeister nicht in die tiebreaks wollte, »alles auf eine Karte gesetzt und verspielt«. MIM
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