Landtag solidarisiert sich nicht mit Nazi-Gegnern
Hessen: Mehrheit von CDU und FDP lehnt Antrag der Linkspartei ab / Verbotener Mahngang wird nächste Woche nachgeholt
Bei einer von der Linksfraktion beantragten aktuellen Stunde bezeichnete der LINKE-Abgeordnete Hermann Schaus die Kooperationsgespräche, bei denen das städtische Ordnungsamt den JN bereits im März den Erbenheimer Ortskern als Aufmarschgebiet vorgeschlagen habe, als »handfesten Skandal«. Damit habe die von CDU, FDP und Grünen regierte Verwaltung der Landeshauptstadt »den Nazis die Tür weit aufgemacht und die Öffentlichkeit wochenlang in Unkenntnis gelassen.«
Schaus forderte eine lückenlose Aufklärung und kritisierte, dass die Polizei nicht gegen den Hauptredner und NPD-Fraktionschef im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, eingeschritten sei, obwohl er in Erbenheim antisemitische Aussagen wiederholt habe, die ihm zwei Tage zuvor in Saarbrücken eine Verurteilung wegen Volksverhetzung eingebracht hatten. Zudem hätten die Behörden geduldet, dass Demonstrationsteilnehmer verbotene SS-Totenköpfe getragen und »Stolpersteine« für ermordete Erbenheimer Juden passiert hätten. Die Behörden hätten am 8. Mai Gewerkschafter vom Besuch einer Veranstaltung in einem geschlossenen Raum in Erbenheim abgehalten und seien gleichzeitig mit zeitweiser Abriegelung, mangelnder Kommunikationsbereitschaft und Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray gegen friedliche Demonstranten »unverhältnismäßig und ungerechtfertigt« vorgegangen, so Schaus. Am 8. Mai hatten rund 2500 Polizisten knapp 150 Neonazis geschützt.
»Man hätte wenigstens ein symbolisches Verbot aussprechen können«, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Angela Dorn. Sie bedauerte, dass sich CDU und FDP nicht am breiten Protest gegen den Nazi-Aufmarsch beteiligt hätten. »Symbolische Politik ersetzt keine Politik«, hielt ihr Innenminister Volker Bouffier (CDU) entgegen. Auch CDU-Mann Peter Beuth lobte den Erbenheimer Polizeieinsatz und warf der LINKEN eine »Spaltung der Demokraten« und »erfolglosen Versuch« vor, die »hervorragende Arbeit« von Polizei und Stadtverwaltung zu »verunglimpfen«.
»Die Stadtregierung wäre gut beraten gewesen, wenn sie bei der alten Wiesbadener Linie geblieben wäre, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen im Vorfeld an einen Tisch zu holen und sich auf eine gemeinsame Position zu verständigen«, kritisierte der SPD-Abgeordnete Ernst-Ewald Roth. Er hatte das »Rhein-Main Bündnis 8. Mai« mit moderiert, das über 2000 Gegendemonstranten nach Erbenheim mobilisierte, und bedauerte, dass sich die Stadtspitze von dem Bündnis ferngehalten habe
Erwartungsgemäß lehnte die Landtagsmehrheit von CDU und FDP einen Antrag der Linksfraktion ab, der sich mit den Gegendemonstranten am 8.Mai solidarisiert und das Vorgehen der Behörden rügt. SPD und Grüne stimmten nur einzelnen Abschnitten des Antrags zu. Einig waren sich die fünf Fraktionen lediglich in der Kritik an Pastörs und der Absicht, die Vorgänge im Innenausschuss zu behandeln.
Die Organisatoren der von einem breiten Bündnis getragenen Gegendemonstration werden am kommenden Dienstag ihren für den 8. Mai verbotenen Mahngang durch den Erbenheimer Ortskern nachholen und der vom NS-Regime ermordeten jüdischen Einwohner gedenken. Bei einer Großveranstaltung am 1. Juni sollen Erfahrungen ausgewertet, das Behördenverhalten analysiert und weitergehende Schlussfolgerungen besprochen werden.
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