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Reicht das zum Leben?

Andreas Kalbitz über willkürlich festgelegte Hartz-IV-Regelsätze für Kinder / Kalbitz ist Referent beim Bundesverband des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB)

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Reicht das zum Leben?

ND: Sie waren dieser Tage als Sachverständiger zu einer Bundestags-Anhörung zum Thema Hartz IV geladen. Derzeit erhält ein zwölfjähriges Kind aus einem Hartz-IV-Haushalt einen monatlichen Regelsatz von 251 Euro. Was sagen Sie als Experte, reicht das zum Leben?
Kalbitz: Das reicht unseres Erachtens nicht. Wie das Bundesverfassungsgericht ja auch festgestellt hat, ist vor allem die Herleitung dieses Betrages nicht korrekt. Wenn man pauschal vom Erwachsenen-Regelsatz einen Prozentsatz festsetzt, dann bleiben kindspezifische Bedarfe unberücksichtigt. Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Positionen, aus denen sich der Regelsatz zusammensetzt, zeigt sich, dass auch diese Einzelbeträge nicht ausreichend sind. So bleiben etwa 3 Euro pro Tag, um für das Kind eine gesunde Ernährung zu finanzieren. Untersuchungen belegen aber, dass eine gesunde Ernährung bei 3 Euro am Tag nicht gewährleistet ist.

Wie hoch müsste der Regelsatz sein?
Es gibt Berechnungen der Caritas und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die auch die wirklichen kindspezifischen Ausgaben berücksichtigen. Diese Berechnungen besagen, dass der Regelsatz zwischen 280 und 360 Euro liegen müsste. Vorausgesetzt, man behält die derzeitige Einteilung nach Altersgruppen bei. Somit ist der Betrag also deutlich höher als der momentan gezahlte Regelsatz, der beispielsweise für die Kleinsten bis zum 6. Lebensjahr nur 215 Euro vorsieht.

Was sind »kindspezifische Ausgaben«?
Zum Beispiel Bildungsaufwendungen, etwa für Nachhilfe oder Lehrbücher. Eigentlich müsste der Gesetzgeber sich die Haushalte, in denen Kinder leben, genauer ansehen. Anhand der dort gewonnen Daten müsste dann berechnet werden, wie viel Geld diese Haushalte für ihre Kinder hinsichtlich Nahrung, Kleidung und außerschulischer Bildung ausgeben. Das wird bisher nicht gemacht.

Das heißt, der Gesetzgeber tappt eigentlich im Dunkeln und legt die Regelsätze quasi freihändig fest?
Richtig. Dieses Vorgehen hat das Verfassungsgericht ja verurteilt. Bislang erhalten Kinder zwischen 60 Prozent und 80 Prozent des Regelsatzes eines Erwachsenen. Diese Kürzung erfolgt aber ohne jede Grundlage und ohne wissenschaftliche Expertise.

Ist es denn allein mit höheren Regelsätzen getan? Wären Sachleistungen wie etwa Bildungsgutscheine nicht auch eine Möglichkeit, die Kinder zielgerichtet zu fördern?
Der Kinderschutzbund ist sehr skeptisch, was solche Gutscheinmodelle angeht. Denn dem Modell liegt ein gewisses Misstrauen gegenüber den Eltern zugrunde. Wir wissen aus unserer Arbeit vor Ort und aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Die Eltern sparen primär bei sich, um ihren Kindern etwas zu ermöglichen. Demzufolge sind wir tendenziell gegen solche Gutscheinmodelle, auch weil wir die Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen wollen. Besser ist es, wenn sie das Geld für ihre Kinder in Eigenregie verwenden dürfen. In den Fällen, wo das nicht klappt, müssen wir Möglichkeiten suchen, wie wir den Kindern über die Bereitstellung von Sachleistungen helfen können. Aber wie gesagt, das betrifft nur eine kleine Minderheit.

Kann man das quantifizieren?
Die absolute Obergrenze liegt bei maximal zehn Prozent. Aber normalerweise liegt die Quote weit darunter.

Fragen: Fabian Lambeck

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