Erst mal ab in die Hölle
Hexenkessel-Hoftheater beginnt im Amphitheater mit »Don Juan«
»Wir haben eine tolle Hölle«, sagt Regisseur Jan Zimmermann. Er sei schon mal hineingefahren. Was Don Juan dort mit Gebrüll erwartet, ist eine andere Sache. Den soll die Unterwelt schließlich im Amphitheater schlucken.
Erst am 7. März schloss sich die Tür zur Märchenhütte fürs Winterprogramm, das ab November über 42 000 Besucher angelockt hatte, da geht’s vom 3. Juni bis 11. September schon wieder in die Sommersaison des Hexenkessel-Hoftheaters im Monbijoupark in Mitte. In dem vom Holzmarkt Köln in Klosterfelde montierten halbrunden Theaterbau von 22 Meter Durchmesser und fast 6 Meter Höhe haben pro Vorstellung 400 Zuschauer Platz. Liebe ist das große Thema, dem sich Zimmermann und seine Mannschaft von 55 Leuten plus 16 Schauspielern in drei Produktionen zuwenden. Es werde in den Hexenkessel geworfen und wild gemischt – spielwütig, wie es dieses Theater immer macht.
Haltlos beginnt die Chose mit Molières »Don Juan«. Matthias Horn übernahm die Titelrolle als herausragendster Liebhaber der Historie, den Gottes Strafe übel trifft. Den humorvollen Schauspieler sah man im Orphtheater auch schon mal als Priester. Nun geht’s anders lang, oh Mann. Immer um 19.30 Uhr beginnen die Amouren.
Zimmermann sagt, er habe für seine Version des Stücks rigoros bei Molière Barockgeschwafel gestrichen und eine eigene Textversion geschrieben. Die Aussage des Stücks werde wie ein Beil zwischen Männer und Frauen im Publikum niedergehen. Und das soll nicht das einzige Mal in diesem Sommer sein, dass der Regisseur die Zuschauer derart herausfordert. In bewährter Art verließ er sich auf David Regehrs Kreativität fürs Bühnenbild – und war begeistert vom Modell. Als das 25 Tonnen schwere Stück (ein gespenstisch wirkendes, dreistöckiges Holzhaus, dessen Aufbau man im Internet auf der Theater-Homepage in Zeitraffer ansehen kann) dann per Kran auf seinen Platz einschwebte, kam ihm jedoch das kalte Grausen. Nichts ging, wie er es sich gedacht hatte. Er musste für das Spiel völlig neue Bewegungsformen finden. So ist Theater. Große Zweifel wollen immer bis zur Premiere die Hauptrollen spielen. Kurz davor fliegen sie raus.
Als unüberwindbar erweist sich wieder weiblicher Eigensinn. In »Der Widerspenstigen Zähmung« wird Kristin Giertler als Lady Katharina wieder ihrem von Michael Schwager gespielten Gevatter zeigen, was 'ne Harke ist. Wegen des alten Problems zwischen Mann und Weib ist Shakespeares Werk so gut und ewig jung. Das Hexenkessel-Hoftheater nimmt das beim Publikum beliebte Stück in dieser Saison ab 20. Juni bis 3. Juli (21.30 Uhr) wieder auf. Es ist eine Art Schicksalsstück des 1994 gegründeten Ensembles. Mit ihm rappelte es sich 1999 im Park wieder auf, nachdem es seinen Hof in Prenzlauer Berg hatte verlassen müssen. Das Spektakel dort wurde inzwischen zu einem Berliner Markenzeichen, mit dem die Stadt wirbt. Als Arbeitsort für die Komödianten wurde der Ort von Christian Schulz, dem Geschäftsführer der Hexenkessel- und Strand-GmbH, auch immer wieder widerspenstig und ungezähmt bei Behörden erkämpft und verteidigt.
Als neue Shakespeare-Inszenierung von Zimmermann ist »Julia und Romeo« ab 12. Juli (21.30 Uhr) im Spiel. Dabei wird das Publikum um eine Entscheidung nicht umhin kommen, kündigt der Regisseur an. Neu im Hexenkessel ist die Schauspielerin Cornelia Gröschel als Julia. Vlad Chiriac, der in vergangenen Jahren schon imposante Rollen hier hatte, wird zum Romeo. Schon in diesen Tagen streicht er sich etwas wehmütig übers Gesicht. Verjüngung fordert ihren Preis. Wer noch mal die erste Liebe will, soll leiden. Der Bart muss ab.
Werden die drei Stücke dienstags bis samstags gezeigt, mischt sich ab 18. Juli sonntags um 19.30 Uhr noch das Impro-Theater Turbine William mit der »Mittsommernachtsshow« ein. Große Eifersuchtsszenen gibt's obendrein auf dem Bunkerdach. Mit Molières »George Dandin oder Der bestürzte Ehemann« ist wie 2009 die berlinisch-römische Gruppe Lazzo Mortale zu Gast. Ein schönes Open-Air-Theaterprogramm. Die Rolle fürs gute Wetter wird freigehalten.
Amphitheater, Monbijoupark (gegenüber dem Bode-Museum), Mitte, Karten-Tel.: 288 86 69 99, www.amphitheater-berlin.de
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