Berlin ist Radsportstadt

Fast 10 000 Teilnehmer beim 3. Velothon auf Rundkursjagd

  • Christian Heinig
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist schwarz, Jahrgang 1910, stolze 27 Kilogramm schwer, es fährt mit nur einem Gang, und zur Tempoverzögerungen gibt es lediglich einen einzigen Bremsklotz, der auf das Vorderrad drückt. Sieht so der Prototyp eines neuzeitlichen Jedermannrennrads aus? »Sicher nicht«, gesteht Daniel Markwalder, der Steuermann des stählernen Ungetüms, während er den Koloss betrachtet, »zumal das Rad mehr wiegt als ich.« Trotzdem ist Markwalder, der sich stärkster Militärradsprinter der Schweiz nennen darf, stets bereit für neue Herausforderungen mit seinem Armeerad. Am gestrigen Sonntag war er Gast in Berlin, und genoss es, trotz Hightechkonkurrenz, einer von fast 10 000 Hobbyradsportlern zu sein, die beim 3. Velothon durch die Hauptstadt jagten.

Auch in diesem Jahr gab es für das zweitgrößte Jedermannrennen Deutschlands, für das um 8 Uhr morgens der Startschuss am Brandenburger Tor fiel, und das auf der Straße des 17. Juni ins Ziel führte, wieder zwei Strecken zur Auswahl: Fast die Hälfte der Hobbyradler aus 20 Nationen entschieden sich für die 60-km-Stadtschleife, die in diesem Jahr nicht nur entlang des Schlosses Charlottenburg, der Oberbaumbrücke und des Regierungsviertels führte, sondern erstmals auch einen Abstecher über den inzwischen ausgedienten Flughafen Tempelhof im Streckenrepertoire hatte. Markwalder, der bei einer »Wetten, dass..?«-Sendung im vergangenen Jahr für Furore gesorgt hatte, als er mit seinem Militärrad den Berliner Profi Jens Voigt und sein Hightechgefährt im direkten Duell schlug, hatte sich mit seinem Schwergewicht die 120-Kilometer-Strecke ausgesucht, und bog dafür noch ins südliche Umland ab. Neben acht Berliner Stadtbezirken ging es zudem durch die Brandenburger Landkreise Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming.

Auf beiden Distanzen gab es Sprintankünfte, was besonders die zahlreichen Zuschauer freute, die die Fahrer entlang der Zielgeraden anfeuerten. Selbst diejenigen Radler, die erst im hinteren Feld über die Ziellinie auf Höhe des Sowjetischen Ehrenmals spurteten, wurden ausgiebig bejubelt. Da kam selbst Hans Michael Holczer, ehemals Teamchef im Profiradsport, und bereits zum dritten Mal beim Velothon dabei, ins Schwärmen: »Das hier in Berlin hat schon ein bisschen was von Tour de France, von Paris und Champs Elysee. Die Fans überall an der Strecke, die Stimmung, die Atmosphäre, das euphorisiert.«

Zumal sich die Wettergötter, entgegen aller Prognosen, für lange Zeit als Radsportfans entpuppten. Nur einige der 120-km-Starter mussten auf ihrer großen Schleife teils heftige Platzregen über sich ergehen lassen. Trotzdem blieben schwere Zwischenfälle aus. Die Bilanz: 29 Stürze, 7 Abtransporte – weniger als im Vorjahr.

Frank Bertling, Geschäftsführer des Hamburger Hauptveranstalters Upsolut, hätte gern die eine Fahrerin oder den anderen Fahrer mehr begrüßt, um die Gesamtteilnehmerzahl des Vorjahres zu toppen. »Die Wetterprognose hat uns da sicher nicht in die Karten gespielt«, so Bertling, der dennoch glaubt: »Berlin hat ein Potenzial von 20 000 Teilnehmern, das peilen wir in den nächsten drei Jahren an.« Auch Hans-Michael Holczer ist sich sicher, dass Berlin noch Luft nach oben hat: »Im Radsport in Deutschland geht eine Schere auf. Der Profiradsport kommt vom schlechten Image nicht wirklich weg, der Breitensport boomt dagegen. Und das mit sich verstärkender Tendenz. Berlin ist definitiv ein attraktives Pflaster.«

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