Aus dem Leben eines Stadionhüpfers
Ein 29-jähriger Magdeburger ist bereits zu mehr als 600 Fußballspielen in rund 30 Ländern gereist
Magdeburg. Stefan Roggenthin ist einer, der die Faszination Stadion lebt. Der Magdeburger »Groundhopper« kennt sich im Dschungel der Fußballtempel aus wie kaum ein anderer. Egal ob das Camp Nou in Barcelona, das Guiseppe-Meazza-Stadion in Mailand oder das legendäre Wembley-Stadion in London – der 29-Jährige hat sie alle schon erlebt. Seine Eintrittskarten-Sammlung ist außergewöhnlich: Mehr als 600 Tickets besuchter Spiele in rund 30 Ländern zieren seine Alben.
»Groundhopping« entwickelte sich in den 1970er Jahren in England und schwappte Ende der 80er nach Deutschland. Der Begriff wird mit »Stadionhüpfen« übersetzt und bezeichnet die Leidenschaft, so viele Fußballstadien wie möglich zu bereisen. Das wichtigste Souvenir ist die Eintrittskarte. Ohne sie wird der Stadionbesuch innerhalb der Gemeinschaft nicht anerkannt. Roggenthin kam im Alter von sieben Jahren das erste Mal in den Genuss der Stadionatmosphäre. Hansa Rostock gegen Stahl Brandenburg hieß die Begegnung 1987. »Das fing bei mir ganz klassisch an. Du gehst mit deinen Eltern ins Stadion, findest es toll und fängst an, selbst Fußball zu spielen. Später besuchst du dann Profispiele live«, erzählt der studierte Betriebswirt und Sozialpädagoge. »Irgendwann wird es langweilig, du kennst alle Stadien der 1. und 2. Bundesliga. Dann siehst du im Fernsehen die europäischen Stadien und denkst dir: Da möchte ich auch mal hin.«
Nächte auf dem Flughafen
Seit 1993 gibt es die Vereinigung der Groundhopper Deutschlands. »Ein loser, dennoch sehr gefestigter Zusammenschluss Gleichgesinnter« – so beschreibt sich die Gemeinschaft selbst. Obwohl Roggenthin die Aufnahmekriterien erfüllt, ist er kein Mitglied. »Ich sehe mich nicht als klassischer Groundhopper, denn ich bin verheiratet und habe noch ein normales Leben neben dem Fußball. Viele Groundhopper hingegen leben nur für den Fußball«, sagt der Mitarbeiter des Fanprojektes Magdeburg. Abschalten könne er bei seinen engsten Freunden, die nichts mit Fußball zu tun hätten.
Wenn der 29-Jährige jedoch »eine Phase« hat, kann es vorkommen, dass bis zu 20 Spiele im Monat auf dem Plan stehen. Urlaub ist für Roggenthin immer auch eine Kombination aus Fußball und Reisen. »In der Regel kommt mein Frau jetzt auch mit.« Um die Ausflüge zu finanzieren, wählt der Werder-Bremen-Fan oft die finanziell günstigste Methode des Reisens. Übernachtungen auf Flughäfen statt im Hotel seien da keine Seltenheit – alles unter dem Motto »Fußball darf nichts kosten«. Und für sein Hobby spart Roggenthin an anderer Stelle.
Viele Groundhopper besäßen sogar Medienakkreditierungen, um so die Eintrittsgelder zu sparen, sagt Roggenthin. Er selbst kommt als Schiedsrichter bei nationalen Wettbewerben in alle deutschen Stadien kostenlos hinein. Seine teuerste Karte war das Ticket für das Halbfinalspiel der WM 2006 zwischen Deutschland und Italien. 230 Euro habe er dafür auf den Tisch gelegt.
»Es gibt keine bessere Möglichkeit, als über den Fußball Kulturen, Land und Menschen kennenzulernen«, sagt Roggenthin. Auf diese Art habe er schon viele Abenteuer erlebt. In Nicaragua habe man ihm einmal die Eintrittskarte weggenommen, weil es dort üblich sei, die Tickets für die Zuschauerzählung einzuziehen. Der auch in Spanisch bewanderte Roggenthin konnte sich schließlich durchsetzen und bei der Auszählung nach dem Spiel dabei sein, um sich seine Karte wieder abzuholen. Ansonsten wäre sie im Müll gelandet.
Der Traum von Rio
Von einer Begegnung träumt Roggentin schon heute: Das WM-Finale 2014 zwischen Deutschland und Brasilien im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro. Doch erst einmal steht die WM in Südafrika an. Roggenthin reist im Juni für vier Wochen dorthin und wird mindestens 15 Partien live im Stadion verfolgen. Und seine Alben werden um einige Eintrittskarten reicher.
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