Flüchtlingskarawane in Jena

In der thüringischen Universitätsstadt findet am Wochenende ein Festival der Kulturen statt

  • Uta Heyder
  • Lesedauer: 3 Min.
Die »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten« wird an diesem Wochenende mit vier Bühnen, Kunstinstallationen, Happenings, Paraden, Ausstellungen und Vorträgen das Stadtzentrum von Jena prägen. Die Organisation engagiert sich seit vielen Jahren unter anderem für die Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge.

Drei Tage ist die kleine thüringische Universitätsstadt Jena Gastgeber für das bisher europaweit größte Festival seiner Art. Ab heute bis zum Sonntag wollen Aktivisten aus aller Welt die Dynamik des Widerstandes gegen Diskriminierung von Flüchtlingen, gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit neu entfachen. Mit Musik und Spaß, Ausstellungen, Filmen und Tanz. Mit gemeinsamen Happenings, Paraden und Workshops. Mit guter Laune und Poesie, Konzerten und Partys Open Air.

Unter dem Motto »Vereint gegen koloniales Unrecht – In Erinnerung an die Toten der Festung Europa« verwandelt sich die Innenstadt von Jena in ein turbulentes, buntes und lautstarkes Welttheater. Die Organisation »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten« hat vor fünf Jahren schon einmal in Jena einen Kongress mit 1000 Teilnehmern organisiert. Diesmal liegt der Schwerpunkt des Festivals erstmals auf Kunst und Kultur.

»Bisher waren unsere Aktionen rein politischer Art, jetzt kämpfen wir mit kulturellen Mitteln«, sagt Festival-Organisatorin Mai Zeidani (26) aus Jerusalem gegenüber ND. Die Studentin der Sozialwissenschaften, die seit sechs Jahren in Deutschland lebt, ist sich sicher, dass das Programm mit internationaler Künstlerbesetzung hervorragend ankommen wird: »Wir erwarten in Jena bestimmt 2000 Gäste, wenn nicht mehr.«

Maskenparade für die Toten

Die Hauptattraktion des Festivals wird die »Maskerade« sein. Handgefertigte Masken aus Westafrika wurden extra für das Festival von professionellen Maskenbildnern gefertigt und von Nigeria aus auf die Reise nach Deutschland geschickt. Diese Masken erzählen von der bis heute lebendigen Tradition der Dju-Dju-Kultur, einem Ursprung des Voodoo-Kults. Maskenparaden haben in weiten Teilen Afrikas eine subtile Bedeutung. Sie sind eine hoch verehrte, kulturelle Kunst-Performance, die während traditioneller Feste durchgeführt wird. Außerdem stehen sie für Solidarität in kriegerischen und schlechten Zeiten.

In Jena werden die Masken am Samstag ab 13 Uhr am Pulverturm/Ecke Johannistor in einem symbolischen Gang durch die Stadt getragen. Sie sollen für jene Flüchtlinge Zeichen sein, die auf ihrem Weg nach Europa gestorben sind. Die Träger erzählen die Geschichten derer, die sie nicht mehr selbst erzählen können. Geschichten von Menschen, die unter mysteriösen Umständen in Polizeiwachen gedemütigt wurden. Geschichten derer, die europaweit in menschenunwürdigen Asylbewerberheimen dahinvegetieren. Geschichten von Menschen, die gejagt, gefoltert und getötet wurden auf ihrer verzweifelten Suche nach einer neuen Heimat.

Das Festival findet an vier Veranstaltungsplätzen statt: Am Pulverturm/Ecke Johannistor, auf dem Theatervorplatz, am Holzmarkt und auf dem Campus. Die Festivalveranstalter haben sich allerlei Ungewöhnliches einfallen lassen. So sind am Freitagvormittag auf dem Holzmarkt 1000 Minizelte zu besichtigen. Diese Installation des Künstlers Josef Hack stellt ein Klima-Flüchtlingslager dar. Durchgehend steht auf dem Theaterplatz ein Wanderkino offen. Und am Freitag, 20 Uhr, gibt es auf der Kleinen Bühne des DNT die Lesung »Das Geisterschiff« mit Bernhard Dechant, Anne Haug, Saskia Taeger und Sebastian Thiers.

Kinderfest am Sonntag

Doch nicht nur auf offenen Bühnen in der Stadt ist viel zu sehen, Cafes und Kneipen laden ein zu sogenannten Aftershows. So gibt es im »Cafe Wagner« am Freitag, ab 22 Uhr, internationalen Reggae zu hören, im »Grünowski« legt DJ Matar African Music auf. Damit auch die Jüngsten auf ihre Kosten kommen, findet am Sonntag ab 10 Uhr ein Kinder-Festival auf dem Theatervorplatz statt.

Das ganze Programm im Internet: www.karawane-festival.org/de/programm/

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