Anschmiegsame Löwen, eifersüchtige Elefanten
Tierische und menschliche Geschichten aus dem WM-Land Südafrika
Fernab der Städte, im südafrikanischen Busch, funkeln die Sterne klarer als anderswo. Nach einem Abendessen, das in einer sogenannten Boma, einem windgeschützten Speise- und Grillplatz, serviert wird, führt Pascale von Heysten die Gäste des Nkomazi Game Reserves, eines privaten Safariparks in der Provinz Mpumalanga, ein Stück weg vom Feuer, so dass das Firmament noch deutlicher zu erkennen ist. Beim Blick nach oben erklärt sie die Gestirnskonstellationen der Südhemisphäre und schildert mit leisen Worten, wie sich die Buschleute früher die Entstehung der Milchstraße erklärten: Ein Krieger, der seiner Frau ein neues Antilopenfell besorgen wollte, ging auf die Jagd. Nach vier Tagen hatte er endlich eine stattliche Antilope erlegt. Zufrieden machte er sich auf den Rückweg. Doch plötzlich bemerkte er, dass er von einer riesigen Hyäne verfolgt wurde. Seine Frau, die weit entfernt an einem Feuer auf ihn wartete, hörte das Heulen der Riesenhyäne und spürte, dass ihr Mann in Gefahr war. Kurzentschlossen griff sie mit ihrer Hand in das glimmende Feuer und schleuderte die Glut hoch nach oben gen Himmel. Die Mischung aus Glut und die Asche bildete eine große Brücke am Himmel, die Milchstraße, über die der Krieger wohlbehalten zu seiner Liebsten zurückkehren konnte.
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Feuer im Busch – dieses Thema kennt auch Jan Kriel. Der weiße Südafrikaner arbeitete mehrere Jahre als Ranger im Kruger-Nationalpark, mittlerweile ist er Direktor und Manager des Nkomazi Game Reserves, das 2009 auf einem ehemaligen Farmgelände eröffnet hat und für 24 Gäste ausgelegt ist, die in zwölf luxuriös ausgestatteten Zelten übernachten. Vor unserer Ankunft hatte es in der Nähe gebrannt – und Jan Kriel war Tag und Nacht damit beschäftigt, den Buschbrand, der sich durch den Wind sehr schnell ausbreitete, mit Gegenfeuern zu bekämpfen. Obgleich deshalb noch müde, nimmt Jan Kriel sich Zeit für eine Tour durch das Gelände des 7000 Hektar großen Safariparks, der in einer von einem Fluss durchzogenen Steppenlandschaft liegt. Am Spätnachmittag, die Sonne steht bereits tief, haben wir Glück. Nachdem Jan Kriel mehrmals mit dem offenen Geländewagen am Fuß eines Hügels entlang gefahren ist, nähert sich von links eine Elefantenherde, die etwa vierzig Meter vor uns den Weg kreuzt. Die Tiere, darunter auch einige Babyelefanten, steuern eine Baumgruppe an, die frische grüne Zweige trägt. »Die Elefanten brechen die Zweige weg, weil es in der Mitte einen Strunk mit viel Wasser gibt, das trinken sie«, erläutert Jan Kriel, bevor er nach etwa 15 Minuten zum Aufbruch drängt. Er will seinen Gästen noch Giraffen, Zebras, Impalas, Strauße und zwei riesige Nashörner zeigen. Einige Löwen befinden zum Zeitpunkt unseres Besuches noch in einem Eingewöhnungsgehege, bewegen sich mittlerweile aber ebenfalls frei innerhalb des Parkgeländes.
Mit einem Löwen, so berichtet der ehemalige Ranger, hatte er während einer mehrtägigen Buschtour ein ganz besonderes Erlebnis. »In den frühen Morgenstunden bin ich in meinem Zelt wach geworden und habe im Halbschlaf gemerkt, dass sich mein Rücken angenehm warm anfühlt. Ich rückte näher an die Zeltwand, bis ich schlagartig hellwach war. Woher konnte die Wärme kommen, wenn ich doch allein im Zelt liege? Ich stieß mit meinem Ellbogen kräftig gegen die Zeltwand und traf dabei einen Löwen voll zwischen den Rippen. Er gab ein lautes ›Ömph‹ von sich, dann lief er weg. Vermutlich war dem Löwen kalt und er hatte mich als Wärmflasche benutzt«, erzählt Jan Kriel, der über seine gesammelten Buscherlebnisse inzwischen ein Buch geschrieben hat.
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Während Jan Kriel unfreiwillig sein Nachtlager mit einem Löwen teilte, hatte sich Christo Germishuws längst den Pferden verschrieben. Der 52-Jährige bietet südlich der WM-Stadt Nelspruit Reitausflüge an und besitzt eine Herde mit 35 Pferden am Rande des Berlin Forest in Kaapsehoop. Sieben Kilometer von einem Gestüt entfernt lebt seit über einhundert Jahren, seit der Zeit, als im nahe gelegenen Barbarton der Goldrausch ausgebrochen war, eine Herde von Wildpferden. Christo hatte vor Jahren einmal versucht, eines der Tiere in seine Herde aufzunehmen. »Ich war jung und dumm und habe alles falsch gemacht, ich habe das Pferd gehetzt und es geschockt, weil ich es kastrieren habe lassen. Deshalb ist es mir nicht gelungen, es in die Herde zu integrieren. Heute würde ich so etwas vermutlich schaffen – aber da meine Pferde sehr frei gehalten werden, bestünde immer die Gefahr, dass das Wildpferd eines Tages verschwindet, womöglich mit einem Teil meiner Herde.« Und deshalb leben die 200 Wildpferde von Kaapsehoop auch weiterhin in Freiheit.
Im Gegensatz zum Pferdeflüsterer Christo Germishuws befassen sich Brigthon und Jimmy in Hazyview ausschließlich mit Elefanten. Ihr beeindruckendster Zögling: der sechs Tonnen schwere Tembo. Der 26 Jahre alte Riese ist ein gehorsamer und umgänglicher Dickhäuter – doch bevor er zu den Elefantenflüsterern kam, sollte er erschossen werden, weil er in dem Reservat, in dem er damals lebte, ständig für Unruhe sorgte. »Tembo war ein Waise und ist ab dem Alter von zwei Jahren von Menschen aufgezogen worden, gemeinsam mit der Elefantin Becky, seiner engsten Freundin. Eines Tages kam ein großer Elefantenbulle, der aus dem Krugerpark ausgebrochen war, und forderte Tembo zum Kampf. Der alte Bulle gewann und zog mit Becky von dannen. Tembo war frustriert und wurde zunehmend aggressiver. Er hat einige Flusspferde und Büffel umgebracht und auf den umliegenden Feldern Schäden angerichtet«, berichtet Elefantentrainer Brighton Machipisa, bei dem sich Tembo ganz handzahm gibt. Denn bei den Elefantenflüsterern in Hazyview freundete sich Tembo schnell mit Brigthons Kollegen Jimmy an – und ist mittlerweile eines der bravsten und verlässlichsten Tiere, das tagtäglich hautnah Kontakt zu Menschen hat. »Wenn man sich unter Tembos Kopf stellt, sollte man an die Beine tätscheln, damit er nicht erschrickt«, erläutert Brighton.
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Eine Liebesgeschichte ganz anderer Art erzählt Königin Msiza in der Nähe des Ndebdele-Dorfes Botshabelo. Die Mutter von zwei Söhnen ist eine Art Stammeskönigin der Ndebdele – und hat als solche vermittelnde und helfenden Verpflichtungen. Da sie selbst nicht im Ndebdele-Gebiet aufgewachsen war, fiel ihr die Rolle anfangs nicht leicht – viele Bräuche und Gewohnheiten waren neu für sie. »Als mein Mann mich fragte, ob ich ihn heiraten will, habe ich das zuerst nicht verstanden, denn ich wusste, dass er bereits verheiratet war. Doch dann habe ich es mir durch den Kopf gehen lassen«, berichtet Königin Msiza, die es als Königsgattin gewohnt war, ihren Mann, der im Jahr 2005 gestorben ist, mit vier anderen Ehefrauen zu teilen. »So etwas hat auch Vorteile: Ich musste mir nie Gedanken darüber machen, wo sich mein Mann herumtreibt, denn ich wusste ja, er ist bei einer seiner anderen Ehefrauen«, erläutert die Königin, die uns zum Mittagessen empfängt. Doch auch Besucher, die nicht bei der Königin zu Gast sind, können viel über die Ndebdele-Kultur erfahren – im Museumsdorf Botshabelo präsentiert die Künstlerin Esther Mahlangu die farbenfrohe Kunst und den Schmuck der Ndebdele, eines Bantuvolkes, das sich aufgrund von Streitigkeiten mit den Zulus vor langer Zeit im Raum Middleburg niedergelassen hat.
- Infos: Fremdenverkehrsamt für Südafrika, South African Tourism Friedensstr. 6-10, 60311 Frankfurt am Main, Tel.: (069) 929 12 90, Fax: (069).28 09 50, www.southafrica.net
- Weitere Infos unter www.dein-suedafrika.de sowie unter der kostenfreien Service-Nummer (0800) 118 91 18
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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