Banken sahnen beim Dispo ab

Verbraucherzentrale beziffert Schaden auf 800 Millionen Euro

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 2 Min.
Verbraucherschützer werfen den Banken vor, in der Krise durch zu hohe Zinssätze abzusahnen. Vor allem Überziehungskredite vom Girokonto seien viel zu teuer. Von der Politik wird eine Deckelung der hohen Zinssätze gefordert. Die Banken sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und verweisen auf kostspielige Risiken wegen der aktuellen Wirtschaftslage.

Die Kreditwirtschaft bekommt zur Zeit Geld so billig wie noch nie: Der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) ist im Zuge der Finanzkrise von 4,25 auf 1,00 Prozent gesenkt worden. Banken und Sparkassen refinanzieren sich also zu rekordniedrigen Zinsen. Während sie das niedrige Niveau an die Sparer vollständig »weitergeben«, senken sie ihre Kreditzinsen nur unzureichend, lautet der Vorwurf der Verbraucherschützer. Dies gilt besonders für Überziehungskredite. Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Bremen sind Bankkunden in Deutschland allein im Zeitraum von Dezember 2008 bis April 2010 mit überhöhten Dispo- und Überziehungszinsen um 777 Millionen Euro geschädigt worden.

Der Bankenverband hält dagegen, diese Rechnung vernachlässige wichtige Faktoren: »Die Zinsen der Banken hängen von mehreren Faktoren ab und orientieren sich nicht allein an den Leitzinssätzen der Europäischen Zentralbank«, erklärt ein Sprecher des Bundesverbandes deutscher Banken. So müssten Banken den Großteil ihrer Refinanzierung »am Markt« vornehmen und das sei teuer. »Geld«, versichert der Bankenverband, »gibt es aktuell nur zu deutlich höheren Risikoaufschlägen als früher.« Zudem müssten Kreditinstitute wegen des scharfen Wirtschaftseinbruches mit deutlich höheren Risiken auch bei Privatpersonen rechnen und entsprechend vorsorgen. Dispokredite seien für Banken »sehr teuer«, da sie flexibel Bargeld für die Kunden bereit- halten müssten.

Nils Nauhauser, Experte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, überzeugen diese Argumente nicht. Er sieht in den Ergebnissen der Bremer Studie Anhaltspunkte für unerlaubte Preisabsprachen oder ein Marktversagen. Sollten sich die Ergebnisse zukünftig bestätigen, »dann sehen wir das Bundeskartellamt in der Verantwortung einzuschreiten.«

Schon 2008 hatte der Bundesgerichtshof eine gewisse Willkür der Banken bei der Anpassung der Zinssätze gerügt. Für Bankkunden ist bislang auch kaum zu erkennen, ob ihr Kreditinstitut Senkungen des allgemeinen Zinsniveaus korrekt weitergibt. Mehr Transparenz erhofft sich der Gesetzgeber von der neuen Kreditrichtlinie. Seit vergangenem Freitag müssen Kreditinstitute einen Referenzzins benennen, an dem Kunden sehen können, ob die Zinsen im Zeitablauf richtig angepasst werden.

Den Bremer Verbraucherschützern reicht das nicht aus. »Die Höhe der Dispo- und Überziehungszinsen muss gesetzlich gedeckelt werden«, fordert Geschäftsführerin Irmgard Czarnecki. Sie schlägt dafür eine Anlehnung an den gesetzlichen Verzugszins vor: Basiszins plus fünf Prozentpunkte. Aktuell sollten Banken nicht mehr als 5,12 Prozent mehr für die eingeräumte Überziehung des Girokontos verlangen dürfen. Bei geduldeten Überziehungen sollte die Höchstgrenze acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen.

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