Unbequemer Kronzeuge Spatuzza

Früherer Mafioso belastete Italiens Regierungschef – und wird nicht geschützt

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
In Italien ist einem Mafiaboss, der jetzt mit der Justiz zusammenarbeitet, das Schutzprogramm für Kronzeugen verweigert worden. Das wäre nicht außergewöhnlich, wenn es sich bei dem ehemaligen Mafioso nicht ausgerechnet um Gaspare Spatuzza handeln würde, der als erster von Verbindungen zwischen der Organisierten Kriminalität und Premier Silvio Berlusconi gesprochen hatte.

Gaspare Spatuzza, Jahrgang 1964, war ein Mafiaboss und ist ein vielfacher Mörder. Er wurde deswegen mehrmals zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Vor zwei Jahren aber begann der Mann, der bereits über ein Jahrzehnt im Gefängnis sitzt und dort Theologie studiert hat, mit der Justiz zusammenzuarbeiten.

Vor wenigen Monaten berichtete er von Verhandlungen zwischen Mafia und Teilen des Staates, die Anfang der 90er Jahre stattgefunden hatten, sowie von besonderen Beziehungen zwischen einigen Mafiabossen und einem gewissen Herrn Silvio Berlusconi. Für die Mafia – sagt Spatuzza – sei Berlusconi eine »Referenz« gewesen. Außerdem habe der engste Mitarbeiter Berlusconis, Marcello Dell’Utri, der in erster Instanz bereits wegen Zugehörigkeit zur Mafia zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, als Verbindungsglied zwischen Cosa Nostra und dem heutigen Ministerpräsidenten fungiert.

Diese Enthüllungen machten natürlich Furore – und die Gerichte haben erklärt, man werde ihnen nachgehen. Spatuzza hatte zuvor schon zu anderen Mafiaverbrechen Aussagen gemacht, die von verschiedenen Gerichten überprüft und für glaubwürdig befunden wurden. Deshalb hatte man ihm vorgeschlagen, das besondere Zeugenschutzprogramm zu beantragen, das es in Italien für ehemalige Mafiosi und deren Familien gibt. Doch der zuständige Ausschuss im Innenministerium lehnte den Antrag Spatuzzas in der vergangenen Woche ab. Er habe sich nicht an die sechs Monate gehalten, die das Gesetz als Zeitrahmen für einen »Überläufer« vorgibt. In dieser Frist muss der Zeuge seine Aussagen machen oder sie zumindest in groben Linien darlegen. Es handele sich also – erklärte Innenminister Roberto Marroni – um »eine technische und keine politische Entscheidung«.

Ganz anderer Ansicht sind viele italienische Mafiaexperten. Ihrer Meinung nach sind die Gründe, die das Innenministerium für seine Entscheidung angegeben hat, nur vorgeschoben. »Das klingt doch schon sehr nach Erpressung«, sagt zum Beispiel Roberto Saviano, Autor des Buches »Gomorrha« über die neapolitanische Camorra. Für ihn steht der politische Aspekt eindeutig im Vordergrund: Zum ersten Mal hat es jemand gewagt, über die engen Verbindungen zwischen Politik und Mafia zu sprechen. Und das ist gefährlich. Gaspare Spatuzza selbst drückt es so aus: »Jetzt freuen sich die Mafiosi und stoßen auf ihren großen Sieg an.«

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