Swing gefällt Senioren
Bayerisches Tanzprojekt hilft Muskeln und Geist auf die Sprünge
Sich regen bringt Segen, sagt ein altes Sprichwort. Doch nicht allein die Muskelkraft und Gelenkbeweglichkeit führt zum gesunden Altern, so Josef Ilmberger von der Münchner Klinik für physikalische Medizin und Rehabilitation. Die Lust am gemeinsamen Bewegen trage erheblich dazu bei, das Wohlbefinden zu steigern und Ängste zu verringern. »Tanzen setzt nachweislich positive Effekte auf die Funktionsfähigkeit älterer Menschen frei«, erklärt der wissenschaftliche Betreuer des Projektes. Die Tanzform spiele keine Rolle, so der Mediziner. »Schon langsamer Walzer wirkt sich günstig auf die Pulsfrequenz aus.«
Die Mehrzahl der über 65-Jährigen ist indes eher selten körperlich aktiv. Mangelnde Motivation und Sozialkontakte werden häufig als Grund genannt. Auch wegen der Angst zu stürzen oder auf Grund bestehender Erkrankungen ziehen sich Senioren oft zurück. Meist fehlt auch einfach das Wissen über die Vorteile von körperlicher Aktivität. Hier haben die bayerischen Gesundheitspolitiker Handlungsbedarf erkannt und im Zuge ihrer Initiative »Gesund.Le- ben.Bayern.« 40 000 Euro für das Modellprojekt »Age in Motion – Alter in Bewegung« bereitgestellt. »Wir wollen dem Leben nicht nur mehr Jahre geben, sondern den Jahren auch mehr Leben«, betont Staatssekretärin Melanie Huml und freut sich über die erfolgreiche Zwischenbilanz der Bewegungsinitiative in Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und mit Jugendlichen.
Zunächst hatte Projektbetreuerin Eva Grill per Zeitungsannonce eine Projektgruppe gesucht. 15 Frauen und sechs Männer meldeten sich. »Das ist ganz typisch«, sagt der 70-jährige Ingmar Thilo. »Ich hatte erst auch gezögert«, gesteht der Wahlmünchner aus Berlin. »Ich dachte, da wird man wieder belehrt, wie man leben soll.« Nichts dergleichen folgte. Stattdessen traf sich die Gruppe täglich und tanzte nach Anleitung der stellvertretenden Leiterin des Bayerischen Staatsballetts. Ihren eigenen Bewegungsabläufen konnten die Teilnehmer dabei freien Lauf lassen, während sie ein Raum- und ein Gemeinschaftsgefühl entwickelten. »Tanz ist keine Gymnastik und kein Stöckchenlauf«, betont Bettina Wagner-Bergelt. Um der eigenen und der Entwicklung in der Gruppe sowie der gemeinsamen Motivation einen Rahmen zu geben, endet jede Projektphase mit einer öffentlichen Aufführung. »Das ist wichtig fürs Selbstbewusstsein«, erklärt die Berufstänzerin.
Auch die körperlichen Ergebnisse konnten sich bereits nach der ersten Trainingsphase sehen lassen, wie die betreuende Ärztin berichtet. Jeweils zu Beginn und am Schluss des vierwöchigen Tanztrainings wurden die Teilnehmer im Münchner Klinikum Großhadern untersucht. Bewegungstests und Fragebögen konzentrierten sich dabei auf Veränderungen der Muskelkraft, der Balance und Ausdauer, auf emotionale und kognitive Funktionen und auf die Lebensqualität. Zum Abschluss der dreistündigen Untersuchung wurden noch Reaktionszeit und Gedächtnisleistung gemessen.
Das durchweg positive Ergebnis gab der Tanzgruppe Auftrieb. »Alt sein heißt nicht sich alt fühlen«, erklärt Teilnehmerin Monika Weber. In ihrem weißen Kostüm und mit ihrer lebendigen Ausstrahlung wirkt die 66-Jährige deutlich jünger. Durch das Projekt habe sie so viel Schwung bekommen, wie in drei Jahren Gymnastikgruppe nicht. »Da gab es keine Kommunikation wie beim Tanzen, wo wir uns austauschen und füreinander interessieren.« Auch die Projektphase mit den Jugendlichen habe ihr gut gefallen. Beim gemeinsamen Tanzen entstehe zwischen Jung und Alt Verständnis und Respekt füreinander. »Ein richtiger Kick war das fürs Leben«, schwärmt die flotte Seniorin und freut sich schon auf die Projektfortsetzung im kommenden Sommer. Dann sollen auch weitere Tanztheaterprojekte in Form eines Netzwerks einen größeren Kreis älterer Menschen erreichen. »Mit unserer Zielsetzung, die Selbstständigkeit der Teilnehmer zu fördern und die Lebenszufriedenheit zu erhöhen, werden wir auch in Altenheime gehen«, kündigte der wissenschaftliche Betreuer Doktor Ilmberger an.
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