Schreckensbilder zur Umerziehung
In Erlangen wurden 1945 die ersten US-Filme über die Nazi-Verbrechen uraufgeführt
Erlangen. Berge nackter Leichen, ausgemergelte Menschen mit hervorstechenden Beckenknochen und Rippen, tote Kinderaugen hinter Stacheldraht. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten Filme mit Titeln wie »Lager des Grauens« oder »Die Todesmühlen« die Deutschen wach rütteln und zu Demokraten erziehen. Die Filmvorführer reisten im Rahmen des sogenannten Reeducation-Programms (»Umerziehungsprogramm«) selbst in die entlegensten Winkel und spielten die Spulen dort in abgedunkelten Gasthäusern ab. Vor 65 Jahren, am 18. Juni 1945, wurden die ersten Filme der US-Militärregierung in einem Erlanger Kino uraufgeführt.
»Das Ziel der Reeducation war die Umerziehung der Deutschen zu Demokraten nach eigenem Vorbild«, erläutert Amerikanistik-Professorin Heike Paul. Ihr Lehrstuhl an der Universität Erlangen-Nürnberg wurde damals ebenfalls zu diesem Zwecke eingerichtet. »Schulpolitik, Film, Populärkultur, das sind die verschiedenen Register«, sagt die Expertin.
»Das waren Deutsche«
Die Amerikaner besaßen bereits ein recht konkretes Konzept zur Bekämpfung des Faschismus in den Köpfen der Menschen, als sie Bayern und große Teile Hessens und Baden-Württembergs eroberten. Bei den Kindern und Jugendlichen setzten sie vor allem auf Sport, auch Austauschprogramme weckten die Begeisterung für den »American Way of Life« und damit für die Demokratie. Ein neuer Stil prägte zudem den Unterricht: Die Lehrer sollten nicht mehr schlagen und befehlen, sondern diskutieren.
Die Erwachsenen hingegen mussten sich zunächst mit der faschistischen Ideologie und ihren Folgen auseinandersetzen. In Weimar etwa konfrontierten die Amerikaner die Einwohner mit den Leichenbergen im KZ Buchenwald. Die Ausgabe von Essensmarken wurde an den Besuch von aufklärerischen Filmvorführungen gekoppelt, was in jenen Zeiten des Mangels viele Menschen in die Kinos lockte. Kriegsgefangene und Angestellte des öffentlichen Dienstes mussten die Filme ohnehin ansehen.
Das Kino spielte eine wichtige Rolle bei der Umerziehung: »Die ersten Filme waren wirklich Aufklärungsfilme«, sagt Frank Mehring, Gastprofessor am Berliner John-F.-Kennedy-Institut. Die Kamera hielt schonungslos auf das oft verleugnete Grauen hinter den KZ-Mauern. Zu den schwarz-weißen Bildern betonte eine Stimme aus dem Off: »Das waren Deutsche, die diese Gräuel verursacht haben.«
Rücksicht auf Kalten Krieg
Dies sei aber kein effektiver Weg gewesen, weil die Deutschen oftmals mit Schock und Verleugnung, aber auch mit anti-amerikanischen Äußerungen reagierten, sagt Mehring. Deshalb setzten die Amerikaner schon bald auf Filme, die ein positives Demokratiebild, Hoffnung und Arbeitseifer statt die Aufarbeitung der Vergangenheit in den Vordergrund rückten.
Spätestens von 1949 an reden die Wissenschaftler daher von einem »weichgespülten« Ansatz, von »Umorientierung« statt »Umerziehung«. »Die Amerikaner hatten ein handfestes Interesse, das zu tun, nämlich um Stabilität zu bringen«, betont Heike Paul. »Ohne den Kalten Krieg hätte es die Reeducation so nicht gegeben.« Zu den Aufklärungsfilmen kamen Streifen über die Fortschritte des Marshall-Plans, Spielfilme oder Zeichentrickfilme für Jugendliche.
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